Australian Open: Belinda Bencic kämpft gegen Karrierekiller Kind
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Belinda Bencic kämpft als Mutter für ihren Traum und gegen den Karrierekiller Kind
Bild: Michel Canonica
Belinda Bencic setzt mit ihrem Sieg gegen die frühere French-Open-Siegerin Jelena Ostapenko bei den Australian Open ein Ausrufzeichen. Nun verfolgt die Olympiasiegerin eine Mission, die vor ihr noch keiner Frau gelungen ist: den ersten Grand-Slam-Titel als Mutter zu gewinnen.
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Als der Ball ihrer Gegnerin an der Netzkante hängen blieb und der Sieg feststand, da streckte Belinda Bencic die Arme in den Himmel, liess das Racket fallen und ballte die Faust. Das 6:3, 7:6 gegen Jelena Ostapenko (WTA 17), die lettische French-Open-Siegerin von 2017, bei den Australian Open in Melbourne ist ihr erster Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier seit 500 Tagen, der erste als Mutter einer Tochter. Und ein Ausrufezeichen.
Belinda Bencic steht bei den Australian Open in der zweiten Runde.
Bild: Vincent Thian/AP
Erst seit Oktober ist sie wieder auf der Tennistour, spielte vorwiegend kleine Turniere. Kurz vor dem Jahreswechsel erreichte sie am WTA-Turnier in Angers ihren ersten Final nach dem Comeback. Sie verlor ihn gegen die Amerikanerin Alycia Parks; im dritten und entscheidenden Satz unterlag die Schweizerin 0:6. Nun ist Bencic zurück auf der grossen Bühne.
Unweigerlich stellt sich damit die Frage, ob der Traum in Erfüllung geht, der die 27-Jährige begleitet, seit sie als Zweijährige erstmals ein Racket in die Hand genommen hat: der Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier. Am nächsten kam sie diesem Ziel 2019, als sie den Halbfinal der US Open erreichte. 2014 und 2021 stand sie in New York im Viertelfinal.
Belinda Bencic bei ihrem ersten Turnier als Mutter im Oktober 2024 in Bad Homburg, im Hintergrund: Ehemann Martin Hromkovic mit Tochter Bella.
Bild: Timgroothuis/Witters GmbH
Olympiasieg gab Bencic keine Gelassenheit
Ihre Sternstunde erlebte sie 2021 an den Olympischen Spielen in Tokio, als sie Gold im Einzel und mit Viktorija Golubic Silber im Doppel gewann. Danach hatte sie die Hoffnung geäussert, diese Erfolge würden ihr die Gelassenheit verleihen, die sie im Leben auszeichnet, die sie auf dem Platz aber oft vermissen liess, weil sie niemandem mehr etwas beweisen müsse.
Es blieb beim Wunsch, Bencic die Spielerin und der Mensch, der sie davor gewesen war – mit allen ihren Stärken und Schwächen. In der Talkshow «Gredig direkt» des Schweizer Fernsehens sagte Bencic in der letzten Woche: «Ich trage zwei Persönlichkeiten in mir. Auf dem Platz kann ich völlig die Kontrolle verlieren. Das bin ich.» Nun, nach der Geburt ihrer Tochter Bella im April 2024, strahlt Bencic diese Ruhe tatsächlich aus.
Ihre sportliche Sternstunde erlebte Bencic 2021 in Tokio, als sie Olympiagold im Einzel und Silber im Doppel gewann.
Bild: Peter Klaunzer/Keystone
Hochzeit bei Bencic und Martin Hromkovic
Ein Eindruck, den die 27-Jährige, die kürzlich ihren langjährigen Freund und Fitnesstrainer Martin Hromkovic geheiratet hat, teilt. Sie sagt: «Ich will immer gewinnen. Es ist mir immer noch nicht egal, wenn ich verliere. Aber Niederlagen sind nicht mehr so schmerzhaft. Ich kann mein Tennisleben hinter mir lassen und mich auf das Familienleben konzentrieren.»
Zwar sagt Bencic, sie wolle immer noch die beste Spielerin der Welt sein und sie finde es inspirierend, wie andere Mütter die Rückkehr geschafft hätten. «Doch nun sehe ich die Welt von einer anderen Seite. Bisher war das Tennis mein Ein und Alles. Nun bin ich viel entspannter. Ich sehe es als meinen Beruf, den ich immer noch sehr liebe und sehr gerne mache.» Den Alltag als Mutter habe sie sich schwerer vorgestellt, als er tatsächlich sei.
Haben standesamtlich geheiratet: Belinda Bencic und Martin Hromkovic.
Bild: Mark Brake/Getty Images AsiaPac
Bencic: «Es liegt noch einiges drin»
Entsprechend gross bleiben ihre Ambitionen. «Ich habe noch einige gute Jahre vor mir. Ich habe in meiner Kindheit und Jugend zu viel und zu hart gearbeitet, um bereits jetzt loszulassen und nur noch zu geniessen. Es liegt für mich noch einiges drin», sagte sie im letzten Sommer zur NZZ.
Dank Initiativen wie dem Mutterschutz sind Schwangerschaften im Tennis heute nicht mehr gleichbedeutend mit dem Ende der Karriere. Ein Blick auf die Weltrangliste offenbart aber, wie schwierig der Spagat zwischen Spitzensport und Familienleben ist. Derzeit werden fünf Mütter in den Top 100 geführt: Viktoria Asarenka (WTA 24), Elina Switolina (27), Naomi Osaka (70), Caroline Wozniacki (72) und Taylor Townsend (85).
Naomi Osaka ist seit einem Jahr zurück auf der Tennistour, konnte bisher aber nicht an alte Erfolge anknüpfen.
Bild: Mark Baker/AP
Kim Clijsters als Vorbild für Bencic
Belinda Bencic kämpft für ihren Traum vom Grand-Slam-Titel, aber auch gegen den vermeintlichen Karrierekiller Kind im Frauentennis.
Nur sieben Frauen haben als Mütter die Australian Open, die French Open, in Wimbledon oder bei den US Open den Titel gewonnen. In Wimbledon, beim Lieblingsturnier von Bencic, ist das bisher nur einer Frau gelungen: Evonne Goolagong 1980. Und nur Margaret Court und Kim Clijsters haben mit deren drei als Mütter mehr als ein Grand-Slam-Turnier gewonnen.
Doch alle sieben Frauen haben eines gemeinsam: Sie gewannen schon vor der Geburt ihres ersten Kindes ein Grand-Slam-Turnier, Belinda Bencic war dies bisher nicht vergönnt. Es ist ein Kunststück, das nicht einmal Serena Williams gelang. Zwar war die 24-fache Grand-Slam-Siegerin in der achten Schwangerschaftswoche, als sie 2017 bei den Australian Open gewann. Nach der Geburt ihrer Tochter Alexis Olympia erreichte sie noch vier weitere Finals, konnte aber keinen davon für sich entscheiden.
Belinda Bencic hat den Traum vom Grand-Slam-Titel noch längst nicht aufgegeben.
Bild: Michel Canonica
Osaka und Wozniacki kämpfen um Anschluss
In jüngerer Vergangenheit haben sich mit der Deutschen Angelique Kerber und der Japanerin Naomi Osaka zwei mehrfache Grand-Slam-Siegerinnen daran versucht, als Mütter an ihre Erfolge anzuknüpfen. Kerber schaffte es in ihrer zweiten Karriere zwar auf Rang 99 der Weltrangliste, gewann bei Grand-Slam-Turnieren aber keine Partie mehr und trat Mitte 2024 nach den Olympischen Spielen in Paris und einem halben Jahr ganz zurück.
Osaka gab kürzlich die Trennung vom Vater der gemeinsamen Tochter bekannt. Die vierfache Grand-Slam-Siegerin kehrte vor einem Jahr auf die Tennistour zurück, erreichte in Paris, Wimbledon und New York jeweils die zweite Runde, stand Anfang diesen Jahres in Auckland im Final und bewegt sich in der Weltrangliste an der Schwelle zu den Top 50.
Über drei Jahre pausierte Caroline Wozniacki, ehe sie im Herbst 2023 als zweifache Mutter wieder einstieg. Die Australian-Open-Siegerin von 2019 und frühere Nummer 1 der Welt liegt derzeit im 72. Rang der Weltrangliste.
Belinda Bencic steht noch ganz am Anfang zweiten Karriere als Mutter. Die ersten Schritte sind vielversprechend, mehr aber auch nicht.