„Literarisches Quartett“: Lisa Eckhart und die Reibung an der moralischen Gesellschaft
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„Man muss aufpassen, denn man wird, was man spielt“. Diesen Satz hat die Kabarettistin Lisa Eckhart bei Houellebecq gelesen und findet ihn so bemerkenswert, dass sie ihn in der ZDF-Sendung „Das Literarische Quartett“ zitiert.
Schon im Vorfeld der aktuellen Ausgabe des „Literarischen Quartetts“ im ZDF hat der Schriftsteller Maxim Biller kräftig auf die Pauke geschlagen und uns eine neue Lisa-Eckhart-Debatte beschert. (Ist die letzte nicht erst wenige Monate her? Von der vorletzten ganz zu schweigen.)
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Vielleicht hat Biller im Vorfeld der Sendung auch die Liste der besprochenen Bücher gesichtet – und das Horrorszenario vor Augen, dass Eckhart, in seinen Augen eine „Antisemitin“ (zur Erwiderung dazu siehe den Beitrag von Henryk M. Broder), nun ausgerechnet über Minka Pradelski sprechen würde. Die Soziologin, die 1947 in einem Lager für Displaced Persons als Kind von Holocaust-Überlebenden geboren wurde, schreibt Romane über Schoah-Überlebende. Ihr Buch „Es wird wieder gut“ stieß in der Runde auf ein geteiltes Echo.
Petkovic schlägt rhetorisch aufModeratorin Thea Dorn empfahl es nachhaltig und konnte gar nicht verstehen, warum es von der Kritik übersehen wurde. Die Tennisspielerin Andrea Petkovic schlug ein hartes Blurb-Ass: „Ich hoffe, es lesen alle Menschen diese Welt“. Der Schauspieler Ulrich Mattes fand es thematisch wichtig, aber stilistisch missraten. Dem schloss sich Lisa Eckart an. Sie fand „alles so gewichtig“, der Spannungsbogen der Geschichte habe sie verwirrt, und das präpotente Kind im ersten Kapitel sei nun mal kein Oskar Matzerath.
An der Stelle war die skandalfreie, wenig aufregende 55-Minuten-Show fast vorbei. Lisa Eckhart, oben in giftgrün-floralem Jackett, unten in eine hautenge Lederhose und klobige Latex-High-Heels gehüllt, machte keine Witze über antisemitische Klischees (wie in ihrem Bühnenprogramm), sie sprach keine Rollenprosa, sondern empfahl Byung-Chul Hans „Palliativgesellschaft“ für besinnliche Weihnachten. Da seien „viele Ernst-Jünger-Referenzen“ drin. Meinte sie wirklich Jünger? Oder Martin Heidegger? Bei ihren Feinden macht das wahrscheinlich ohnehin keinen Unterschied.
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Begonnen hatte die Sendung mit dem neuen Essay-Buch von Michel Houellebecq, dem Eckhart „moralisches Bewusstsein ohne Lust zu moralisieren“ bescheinigte. In allem, was Eckhart zu den Büchern der Sendung sagt, klingt immer wieder ihre Reibung an der moralischen Gesellschaft durch, die ihre Bühnenprogramme grundiert.
Mollige Models wollen auch mal melancholisch guckenAls das Quartett über Elif Shafaks burleske Geschichte einer superdicken Heldin spricht, findet Eckhart es gut, dass Figuren, die vom bösen Blick betroffen sind, „nicht mit höherer Moralität gesegnet“ seien. Dann die lebensweltliche Ergänzung: Bei aller body positivity von heute sei es auffällig, dass die „curvey models“ immer nur debil lächelten. „Die wollen auch mal melancholisch gucken wie die anorektischen“.
Die Sendung „Das Literarische Quartett“ war mal ein TV-Flaggschiff für Literaturkritik. Heute ist sie ein mäßig anregender Lesekreis mit wechselnden Prominenten, die außer ihrer Prominenz wenig qualifiziert, über Bücher zu sprechen. Schade eigentlich. Bei Fußball im Fernsehen schauen wir doch auch Profis aus Bundesliga oder Champions League zu – und nicht Hobbykickern.