Eishockey: Der ZSC ist Meister – der verdiente Lohn für eine ...

Die ZSC Lions gewinnen Spiel 7 gegen den Lausanne HC 2:0 und sind der logische Schweizer Meister. Die Zürcher dürfen den Moment geniessen – aber es gilt auch sicherzustellen, dass bis zum nächsten Titel nicht wieder sechs Jahre vergehen.

Die Spieler und die Fans feiern den ZSC-Meistertitel und sich selbst.
Ennio Leanza / Keystone
Der famose Start-Ziel-Sieg der ZSC Lions in der Schweizer Eishockey-Meisterschaft war eine Machtdemonstration. Die Zürcher gewannen die Qualifikation und verloren im Play-off nur drei Partien. Im siebenten Finalspiel gegen den Lausanne HC vom Dienstagabend setzten sie sich mit 2:0 durch. Viel souveräner kann man nicht Meister werden. Und es war besonders eindrücklich, wie der ZSC im Entscheidungsspiel die Absenzen der Schlüsselspieler Rudolfs Balcers und Yannick Weber sowie den frühen verletzungsbedingten Ausfall des wichtigsten Individualisten Denis Malgin wegsteckte.
Der ZSC ist der verdiente Champion. Sein Triumph hat nichts Zufälliges, er folgt der Logik des Geldes: Niemand sonst in der National League leistet sich eine teurere Mannschaft. Im ZSC wird empfindlich auf dieses Thema reagiert, dabei spricht es für den Klub, dass er sich ein so luxuriöses Kader leisten kann. Dass Topspieler allein noch keinen Meisterpokal garantieren, haben die letzten fünf titellosen Jahre gezeigt. Niemand kann den Anspruch haben, dass der ZSC die National League Jahr für Jahr dominiert, dafür ist das Championat mittlerweile zu ausgeglichen. Aber in einer gewissen Regelmässigkeit sollte sich mit diesen Ausgaben schon etwas gewinnen lassen.
Der grosse Wurf in diesem Frühjahr war deshalb überfällig. Zwei Meistertitel in neun Jahren sind keine berauschende Bilanz für einen Klub, dem finanziell kaum Grenzen gesetzt sind. Der Führungsetage ist das durchaus bewusst. Auch sie spürte den wachsenden Druck. Ja, die Organisation ist vorzüglich aufgestellt. Ja, die Nachwuchsabteilung vollbringt Prächtiges. Und ja, der Umzug in die Swiss-Life-Arena wurde umsichtig gemanagt; der ZSC zieht in Altstetten konstant mehr als 11 000 Zuschauer pro Spiel an.
Aber letztlich gelten die Gesetze des Sports überall. In seiner Selbstwahrnehmung ist der ZSC eine der führenden Premiumorganisationen im europäischen Eishockey. Um diesen Status zu untermauern, braucht es kontinuierlich Momente von Ruhm und Ehre.
Jubel in blau und weiss: Der ZSC ist zum zehnten Mal Meister.
Urs Flüeler / Keystone
Vor Marc Crawford ist im Play-off-Zeitalter kein Trainer im Alter von mehr als 60 Jahren Meister geworden
Auch deshalb erinnerte man sich in der Klubführung im Dezember 2022 an den Trainer Marc Crawford. Der NHL-erprobte Kanadier hatte den ZSC 2014 zum Titel geführt und hatte seither viele Fürsprecher im Verein. Crawford war eine Nostalgieverpflichtung. Eine solche funktioniert auch im richtigen Leben beim Aufwärmen alter Romanzen nicht immer, weil einem das Gedächtnis Streiche spielt und die Realität mit der Vorstellung nicht mithalten kann. Der ZSC kann davon erzählen: Das Comeback von Arno Del Curto scheiterte 2019 krachend. Und auch mit Crawford begann es harzig: Im Frühjahr 2023 beschimpfte er einen Schiedsrichter als «Schwanzlutscher», dazu waren die Resultate mager.
Doch Crawfords Verpflichtung war auch ein Signal. Wer einen Coach aus diesem Alterssegment verpflichtet, der will nicht für morgen etwas entwickeln, sondern heute gewinnen. Mit dem Titel hat der Kanadier seinen Auftrag erfüllt. Im Februar ist er 63 Jahre alt geworden; er ist der erste Trainer seit Einführung des Play-off in der höchsten Liga von 1985/86 jenseits der 60.
Crawford war offenkundig der richtige Dompteur für diese routinierten und hochtalentierten Lions. Diese Mannschaft brauchte keinen taktischen Revolutionär, sondern jemanden, der die vielen Egos im Kollektiv massiert. Crawfords Rezept war simpel: die Linien praktisch die ganze Qualifikation über so wild durcheinanderzuwirbeln, dass sich niemand seines Status zu sicher sein kann. Das sorgte intern hier und da für Irritationen, funktionierte aber.
Der Trainer Marc Crawford hatte den ZSC bereits 2014 zum Meistertitel geführt.
Ennio Leanza / Keystone
Womöglich hallten bei Crawford auch die gar nicht einmal so versöhnlichen Worte des ZSC-CEO Peter Zahner nach, der nach dem einstigen Abschied des Trainers nach einer mit 0 zu 4 Siegen verlorenen Viertelfinalserie gegen Bern 2016 gesagt hatte: «Wir waren zuletzt brutal berechenbar. Wir haben immer gleich gespielt, egal, wie der Gegner hiess und wie der Spielstand war. Die fünf Jahre mit Bob Hartley und Marc Crawford waren gut. Aber nun wollten wir eine neue Mentalität hineinbringen. NHL-Trainer sind sich alle sehr ähnlich, sie sind extrem strukturiert, aber auch stur. Teilweise fehlte die nötige Flexibilität.»
Es ist schwierig zu sagen, ob der ZSC den Titel auch mit einem anderen Trainer gewonnen hätte. Womöglich schon, weil kein Kader annähernd so dicht und stark besetzt war wie jenes der Zürcher. Dem Sportchef Sven Leuenberger gelang es, ein Team ohne Schwächen zusammenzustellen – auch, weil der ZSC in den letzten Jahren Nationalspieler bündelte wie andere Menschen Sammelbilder während einer Fussball-Endrunde: Dean Kukan, Christian Marti, Yannick Weber, Sven Andrighetto, Denis Hollenstein, Denis Malgin. Und Crawford half mit seinen Kontakten und seinem Wissen dabei, die Ausländerpositionen aufzuwerten. Er war es, der den Play-off-Torschützenkönig Derek Grant nach Zürich holte.
Starkes Kader: Die ZSC-Spieler Justin Sigrist (rechts), Dean Kukan (links) und Derek Grant bejubeln das 3:0 im fünften Play-off-Finalspiel.
Michael Buholzer / Keystone
Alle Schlüsselspieler bleiben – kann der ZSC nachdoppeln?
Dem ZSC bleiben für die nächste Saison sämtliche Schlüsselspieler erhalten, selbst bei den Stammausländern laufen alle Verträge weiter. Die für die NHL tendenziell interessantesten Akteure, der Nummer-1-Center Denis Malgin und der lettische Globetrotter Rudolfs Balcers, haben sich verpflichtet, Angebote aus Übersee in diesem Sommer nicht einmal zu prüfen.
Das sind sehr gute Aussichten, um Geschichte zu schreiben. Es ist wahnsinnig lange her, seit der ZSC zwei Titel in Folge gewinnen konnte. 2000 und 2001 war das mit den Trainern Kent Ruhnke und Larry Huras der Fall. Die Kader jener Jahre lesen sich wie ein Who’s who der populärsten Profis der ZSC-Historie nach der Klubfusion von 1997: Ari Sulander, Mathias Seger, Peter Jaks, Michel Zeiter, Edgar Salis. Letztgenannter war lange General Manager des ZSC, unter anderem während der ersten Crawford-Ära. Mittlerweile wirkt er seit längerem als Nachwuchssportchef, er war bei der Rückholaktion von Crawford aber eine der treibenden Kräfte.
Die ZSC-Spieler feiern am 30. April ihren 10. Meistertitel. Der Klub wurde 1936, 1949, 1961, 2000, 2001, 2008, 2012, 2014, 2018 und 2024 Schweizer Meister.
Patrick B. Kraemer / Keystone
Die Trikots von Sulander und Seger hängen in der Swiss-Life-Arena unter dem Hallendach; sie sind Helden, die von einer ganzen Generation verehrt werden. Selten ist es im Stadion so laut wie dann, wenn die Kameras den inzwischen 46-jährigen Edelfan Seger biertrinkend auf der Tribüne einfangen. Es spricht nichts dagegen, dass sich gegenwärtige Akteure wie Andrighetto, Malgin oder Marti für den modernen ZSC der Altstetten-Ära unsterblich machen und in zwanzig Jahren einen ähnlichen Status geniessen wie heute die Granden von einst.
Bis zu den sechs Titeln von Seger und den vier Sulanders ist es ein weiter Weg. Aber der Anfang ist mit dieser starken Saison gemacht. Und bei den derzeitigen Gegebenheiten spricht nichts dagegen, weshalb der ZSC nicht am Anfang einer Dynastie stehen sollte.
Die ZSC-Fans sind aus dem Häuschen.
Patrick B. Kraemer / Keystone