SCB: Berner Club-Legende Beat Gerber ist jetzt Schreiner
Berner Kultfigur Beat Gerber –
«Hätte ich das gewusst, hätte ich den Job beim SCB nicht angenommen»Er prägte zwei Jahrzehnte den SC Bern, wurde Materialchef, trat aber nach nur einer Saison zurück. Heute arbeitet Beat Gerber als Schreiner und vertreibt Aloe-Vera-Produkte.
- Beat Gerber ist mit sechs Meistertiteln und zwei Cupsiegen der erfolgreichste Spieler der Berner Clubgeschichte.
- Nach seinem Rücktritt 2023 übernahm der ehemalige Verteidiger den Job als Materialchef, kündigte aber nach nur einer Saison.
- Er arbeitet nun in der Schreinerei seines Bruders mit geregelten Arbeitszeiten.
- Gerber und seine Frau verkaufen zudem Aloe-Vera-Produkte.
Er sprach von seiner Leidenschaft für das Schleifen von Schlittschuhen, von einer Kufe, die er selbst entwickelt hatte. Davon, dass er schon als Spieler die Schuhe einiger Teamkollegen präparierte, und wie er in akribischer Kleinarbeit den passenden Schliff für Torhüter Adam Reideborn fand, der zuvor in Russland gespielt und den Radius seiner Kufe nicht gekannt hatte. Ein Jahr ist das her.
Beat Gerber, der mit sechs Meistertiteln und zwei Cupsiegen erfolgreichste Spieler der Berner Clubgeschichte, amtete damals als Materialchef beim SCB. Die Welt schien in Ordnung, der langjährige, unermüdliche Kämpfer nach seiner Aktivkarriere seine Bestimmung gefunden zu haben. Doch nur wenige Wochen später reichte der 42-Jährige seine Kündigung ein – ohne zu wissen, wohin ihn sein Weg führen würde.
«Es ergab einfach keinen Sinn mehr», sagt Gerber heute dazu. Hatten sich zuvor zwei Personen die Arbeit geteilt, stand ihm lediglich an Spieltagen eine Aushilfskraft zur Verfügung. Anstatt der vertraglich vereinbarten 42 Stunden arbeitete der ehemalige Verteidiger oft zwischen 70 und 75 Stunden pro Woche. Zweimal bat er den SCB, eine weitere Kraft – zumindest im Teilpensum – anzustellen. Ohne Erfolg.
Eine fast schon legendäre Episode verdeutlicht die Situation: Als der SCB im vergangenen Dezember in Davos spielte, setzte starker Schneefall ein. Auf dem Heimweg riss eine der beiden Schneeketten. Gerber, der den Materialbus selbst zu den Auswärtsspielen lenkte, hätte zur Not in Davos übernachten können, entschied sich jedoch, mit nur einer Kette an der Vorderachse durch die verschneiten Strassen zurück ins Prättigau zu fahren. Bergab ging es mit rund 20 Stundenkilometern. Erst um sechs Uhr früh traf Gerber in Bern ein, legte sich für 40 Minuten hin, ehe er in die Postfinance-Arena zurückkehrte. Am Abend stand das Heimspiel gegen die Lakers an. Zeit zum Erholen blieb kaum. Gerber kam erst gegen halb drei Uhr nachts nach Hause und verbrachte den Sonntag im Bett.
Gerber lässt den SCB nicht im Stich
Nachdem er kurz vor Weihnachten gekündigt hatte, versuchte der SCB, ihn zum Verbleib zu überreden. Doch für Gerber war es zu spät. Aus Loyalität entschied er sich aber dagegen, den Club schon im Februar zu verlassen. «Bern hätte in der entscheidenden Phase der Meisterschaft Ersatz benötigt. Das wollte ich dem Team nicht antun. Für mich galt: Ich habe die Saison begonnen, also bringe ich sie auch zu Ende.»
Jetzt, Monate später, sitzt Gerber in seinem Zuhause in Heimenschwand am Küchentisch. Obwohl sich der Himmel an diesem Herbsttag wolkenverhangen präsentiert, bietet sich dem Besucher ein atemberaubender Blick auf saftig grüne Wiesen und majestätische Berge. Hier, fernab des städtischen Trubels, im Grenzland zwischen Emmental und Berner Oberland, scheint die Welt noch in Ordnung. Gerber trägt noch seine Arbeitskleidung. Eigentlich stand ein Auftrag in Biel an. Doch der Termin wurde kurzfristig abgesagt. Nun hat der ehemalige Eishockeyprofi früher als geplant Feierabend.
Gerber, der sechsmalige Meister, schloss einst erfolgreich eine Schreinerlehre im Betrieb seines Vaters ab – kurz nach seiner ersten WM-Teilnahme und obwohl ihm kaum Zeit zum Lernen blieb. Eigentlich wollte er Automechaniker werden, doch er fand keinen Lehrbetrieb, der bereit war, Kompromisse einzugehen. Eishockey und Ausbildung liessen sich einfach nicht miteinander vereinbaren.
Während Gerber im Sport Karriere machte und mit 1269 Einsätzen in der National League zum Rekordspieler aufstieg, bis ihn Andres Ambühl in dieser Saison ablöste, übernahm sein Bruder René den 12-Mann-Betrieb in Unterlangenegg. Die Firma hat sich auf Fensterbau spezialisiert und ist im Denkmalschutzbereich eine echte Referenz.
Gerber schwört auf Aloe Vera
Eine Rückkehr in seinen angestammten Beruf schloss Gerber lange aus, heuerte schliesslich aber dennoch bei seinem Bruder an. Geregelte Arbeitszeiten, freie Wochenenden – all das ist nach einem Vierteljahrhundert im Eishockey Neuland für den 42-Jährigen. Er sagt: «Während meiner Lehrzeit habe ich vor allem Fensterbeschläge eingebaut, jetzt bin ich oft auf Montage. Es ist ein anderer Job, aber er gefällt mir. Und wir harmonieren gut im Team.»
Weil er sich anfangs nicht sicher war, ob ihm die Arbeit zusagen würde, begann Gerber zunächst im Stundenlohn. Seit August besitzt er jedoch einen festen Arbeitsvertrag. Sein vier Jahre älterer Bruder betont: «Bidu ist genauso zuverlässig wie zuvor als Spieler.» Für René stand nie zur Debatte, seinen Bruder nicht aufzunehmen. Im Gegenteil: «Ich habe ihm oft nahegelegt, bei uns einzusteigen», erzählt er. «Bidu und ich hatten stets ein gutes Verhältnis.»
Es überrascht kaum, dass «Bidu» auf den Baustellen erkannt wird. «Viele wissen nicht, was ich derzeit mache, und reagieren erstaunt», sagt der Emmentaler, der neben seiner Arbeit im Schreinerbetrieb mit seiner Frau Nadina ein zweites Standbein aufbaut: Es geht um den Verkauf von Aloe-Vera-Produkten. Nadina stellte sich nach einem Autounfall vor zwei Jahren die Sinnfrage und entschloss sich, sich selbstständig zu machen.
«Gesunde Ernährung und Sport waren uns schon immer wichtig», sagt sie. «Und wir legen grossen Wert auf hochwertige Pflegeprodukte.» Das Paar bietet ein breites Sortiment an, das von Duschgel, Shampoo, Parfüm und Handcreme bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln und Energydrinks reicht. Die Produkte können direkt bei ihnen oder über ihren Onlineshop via Instagram bezogen werden. Zudem organisieren sie Apéro-Abende, an denen die Kunden die Produkte testen können. Wer Interesse hat, kann sogar Teil des Teams werden.
«Davon,» sagt «Bidu» und zeigt auf ein Aloe-Vera-Konzentrat, «nehme ich jeden Morgen einen Schluck. Es versorgt dich mit allen wichtigen Vitaminen, gibt dir Energie für den Tag und stärkt dein Immunsystem.» Schon während seiner Karriere habe er grossen Wert auf eine gesunde Lebensweise gelegt. Doch: «Leider kannte ich diese Produkte damals noch nicht.»
Gerber vermisst das Eishockey nicht
Ob er sich eine Rückkehr ins Eishockey vorstellen kann? Gerber ist unschlüssig. Seit seinem Abschied im letzten Frühjahr hat der dreifache Familienvater keine Spiele mehr besucht. Stattdessen geniesst er es, am Wochenende einfach mal essen oder ins Kino zu gehen. «Im Moment vermisse ich nichts», sagt der 89-fache Internationale. Hin und wieder schaut er sich Spiele im Free-TV an – auch, um zu sehen, welcher Spieler wie in Form ist. Ein Pay-TV-Abonnement besitzt er jedoch nicht.
Im Gegensatz zu früheren Jahren schleift «Bidu» auch die Schlittschuhe der Berner Spieler nicht mehr. Er ist erleichtert, dass der Club mit Uwe Moser einen geeigneten Nachfolger gefunden hat. Gerber selbst konzentriert sich nun auf seine Arbeit beim EHC Oberlangenegg, dort, wo er einst als Junior seine ersten Spiele bestritt und seit Jahren aushilft. Rückblickend gesteht er: «Hätte ich alles vorher gewusst, hätte ich den Job als Materialchef beim SCB nicht angenommen. Wären wir zu zweit gewesen, wäre es vielleicht anders gelaufen. Die Arbeit fasziniert mich nach wie vor. Es ist meine Leidenschaft.»
Zwei Jahrzehnte lang hat der stille Schaffer den SCB geprägt. Ein Blick unter das Hallendach erinnert daran: Vor einem Jahr wurde Gerbers Nummer 2 in Anerkennung seiner Verdienste feierlich hochgezogen. Und wird beim SCB nicht mehr vergeben. Doch das Kapitel Eishockey ist für den Rekordspieler abgeschlossen. Zumindest für den Moment.
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