Deutschland bei Handball-WM: Ersatz-Spielmacher Luca Witzke ...
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Manchen Spielern strömt das gestiegene Selbstbewusstsein der vergangenen Monate aus jeder Pore, ohne in Überheblichkeit auszuarten. Gemeint ist hier nicht Renārs Uščins, dem so etwas wie Abgehobenheit ohnehin fremd ist – doch natürlich wäre auch er ein geeigneter Protagonist dieser Geschichte: Nach einer lahmen ersten Halbzeit beim zum Start dieser schlüpfte der Zweiundzwanzigjährige beherzt in die Rolle des besten Torschützen und traf bei 17 Versuchen zehnmal. Allein acht Tore gelangen ihm im insgesamt viel flüssigeren zweiten Durchgang.
Doch der Mann des Matches (auch wenn Kapitän später zu ebenjenem gekürt wurde), war der Leipziger und Bald-Flensburger Luca Witzke. Schon allein sein Blick beim Gesprächsmarathon in der kleinen Interviewzone der riesigen „Jyske Bank Box“ zu Herning, die am Mittwochabend nur schütter gefüllt war, wirkt wie die symbolische breite Brust: Hier steht einer und antwortet, der seine Funktion in der deutschen Handballnationalmannschaft gefunden hat – und diesen Platz auch nicht mehr hergibt.
Speziell dabei war gegen die taktisch gut eingestellten Polen, dass Witzke ab der 41. Minute die deutschen Angriffe anleitete – war auf dem feuchten Boden ausgerutscht und musste hinter der Bank behandelt werden. Am Donnerstag beim Medientermin im nahen Silkeborg gab Nationalmannschafts-Manager Benjamin Chatton leise Entwarnung: „Es sieht positiv aus, dass er uns Freitag zur Verfügung steht. Es sieht nicht nach einer strukturellen Verletzung aus.“
Witzke indes, 25 Jahre alt, übernahm die Lenkung wie selbstverständlich, war mit seinen fünf Treffern eine konkrete Bedrohung für die polnische Abwehr und setzte seine Nebenleute zudem gekonnt ein.
Radargleicher Überblick
Schon in den Tests gegen Brasilien hatte Witzke hellwach und mit einem radargleichen Überblick beeindruckt. Das war jedoch nichts, was er später besonders preisen wollte: „Ich habe ein gutes Gefühl aktuell und habe gut ins Turnier gefunden. Wir haben viele Varianten im Angriff und mussten auf sie auch zurückgreifen. In der zweiten Halbzeit haben wir wieder vieles von dem gezeigt, das uns auch bei den Olympischen Spielen stark gemacht hat.“ Alles Lob an die Mannschaft: Solch ein Typ ist der von vielen Malaisen in seiner Karriere geplagte junge Westdeutsche.
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Dabei gehört der in Düsseldorf und Essen handballerisch sozialisierte Witzke zu jenen Spielern, die Bundestrainer stark gemacht hat: Seit zwei, drei Jahren immer dabei, vertraut mit Systemen und Abläufen im Team und langsam in eine andere als die zunächst angedachte Rolle geschlüpft: „Juri ist unser Spielmacher Nummer eins“, sagte Gislason am Mittwochabend unsanft. Der 65 Jahre alte Isländer ist nicht dafür bekannt, allzu vorsichtig mit seinen Spielern umzugehen.
Witzke ist das gleichgültig: „Bei uns muss jeder kämpfen, um zu spielen. Wie man meine Rolle definiert, ist nicht wichtig.“ Dass er als Spielmacher-Backup ebenso entscheidend in diesem wahrscheinlich langen Turnier sein könnte wie als linker Rückraumspieler neben Juri Knorr, hat Luca Witzke nun (wieder) bewiesen.
„Das habe ich den Jungs gesagt“
Erleichterte Mienen gab es bei vielen Deutschen. Von einem klassischen Auftaktspiel sprach Johannes Golla, und von einem Sieg, der deutlicher ausfiel, als er sich anfühlte – erst in den letzten zehn Minuten setzte sich die DHB-Auswahl dank der Paraden von im Tor und einiger gelungener Aktionen von Renārs Uščins so klar ab.
Die Polen, besetzt mit vielen Profis aus der zweitklassigen eigenen Liga und nicht mehr mit der Klasse früherer Jahre, suchten ständig ihren Kreisläufer Kamil Syprzak, der in Paris sein Geld verdient und mit einer Länge von 207 Zentimetern schwer zu bremsen ist. Seine Tore in den ersten 30 Minuten ließen die Deutschen alt aussehen, so dass die 15:14-Pausenführung schmeichelhaft wirkte. Gislason sagte: „Wenn wir uns hinten ärgern, kommen wir nicht schnell genug nach vorn. Das habe ich den Jungs gesagt.“
Im Hochgeschwindigkeitssport Handball sind Gegentore manchmal nur eine Randnotiz, eine Art Erinnerung, nach vorn zu rennen und in die eigene Aktion zu kommen. Das ist nichts für Puristen. Die konnten sich zuvor am 17:17 der Schweiz gegen Tschechien freuen, als jedes Tor ein denkwürdiges Ereignis darstellte. Die Schweizer sind am Freitagabend (20.30 Uhr im und im ZDF) nächster Gegner der Gislason-Sieben, ehe die Tschechen am Sonntag (18.00 Uhr im und in der ARD) zum Vorrundenabschluss warten – zwei Teams, die nach den Eindrücken vom Mittwoch eine Klasse schwächer schienen als die Deutschen.
Doch auch gegen sie wird die deutsche Abwehr stabiler sein müssen als am Mittwoch 30 Minuten lang – da wirkten Golla und sein Nebenmann Julian Köster gedanklich langsam und nicht fein genug justiert.
Ein cooler Luca Witzke, ein unbeschwerter Renārs Uščins und das Torhüter-Duo Andreas Wolff / David Späth, das waren die Bestandteile der ersten deutschen Punkte dieser großen WM mit 32 Teams in Dänemark, Kroatien und Norwegen.
Und dann war da noch etwas, das Hoffnung machte auf mehr – wieder legten die Deutschen eine kühle Schlussviertelstunde aufs Parkett: „Wir bleiben auch bei plus eins ruhig und stabil“, sagte Luca Witzke. Noch in der 40. Minute schnupperten die Polen an der Überraschung. Könnte das das größte Erbe der vergangenen Monate sein? „Wir sind reifer“, sagt Gislason.
Die Zitterhand früherer Jahre scheint verschwunden, oder zumindest wabert die Unsicherheit in den heißen Minuten nicht mehr ganz so vernehmbar durch die Halle. Es zahlt sich aus, dass er dieser weitgehend gleichen Gruppe seit Jahren vertraut. „Wir haben nicht nur auf dem Feld, sondern auch außerhalb eine Bindung zueinander aufgebaut, wir vertrauen uns“, sagte dazu Juri Knorr. Ob das auch gegen größere Gegner als Polen gilt, darüber werden die kommenden Turniertage Auskunft geben.