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Björn Höcke gegen Mario Voigt: Das Duell war ein Erfolg für die ...

Björn Höcke gegen Mario Voigt Das Duell war ein Erfolg für die
Sollte man sich öffentlich mit einem Politiker wie dem völkischen Landeschef der thüringischen AfD streiten? Das Echo in Deutschland ist überwiegend positiv.

Sollte man sich öffentlich mit einem Politiker wie dem völkischen Landeschef der thüringischen AfD streiten? Das Echo in Deutschland ist überwiegend positiv.

Der thüringische AfD-Chef Björn Höcke (links) und Mario Voigt, der Landesvorsitzende der CDU im Freistaat, am Donnerstagabend im Studio von Welt TV.

Der thüringische AfD-Chef Björn Höcke (links) und Mario Voigt, der Landesvorsitzende der CDU im Freistaat, am Donnerstagabend im Studio von Welt TV.

Michael Kappeler / DPA

Eines sticht aus der Nachlese des TV-Duells zwischen dem thüringischen CDU-Landesvorsitzenden Mario Voigt und seinem völkisch-nationalen AfD-Kontrahenten Björn Höcke vom Donnerstagabend hervor: Die meisten Beobachter sind der Ansicht, das Experiment sei gelungen.

Dabei waren die Befürchtungen vor der Diskussion im Sender Welt TV gross gewesen. Politiker und Politikwissenschafter warnten davor, Höcke eine Bühne zu bieten. Mit einem wie ihm könne man nicht diskutieren, hiess es oft. Wer ständig Fakten verdrehe, den könne man nicht mit Fakten stellen. Die Sorge war, dass Höcke das Duell nutzen würde, um seine kruden Thesen zu verbreiten, und dass ein ausserhalb Thüringens weitgehend unbekannter Mann wie Voigt kein Mittel dagegen finden würde. Zumindest Letzteres hat sich nach Ansicht vieler Beobachter nicht bewahrheitet.

Lob von linken Medien

Diesen Eindruck teilten auch tendenziell linke Medien. Die «Zeit» etwa schrieb im Hinblick auf Voigt von einem «gut vorbereiteten» Politiker, der immer wieder wirksame Treffer habe landen können. Der «Spiegel» bilanzierte, Voigt habe das «gut und anständig und engagiert gemacht, vielleicht gar bestmöglich». Er sei «erkennbar im Trainingslager» gewesen, munitioniert mit «Blättern, auf denen das braunste Höcke-Geraune der vergangenen Jahre stand».

Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» machte indes für den Ausgang der Debatte weniger Voigt, sondern vor allem Höckes eigenes Auftreten verantwortlich. Dieser habe sich von allein «entzaubert». Auf der Bühne habe ein Politiker gestanden, «der im Bierzelt genau weiss, was er sagt, im Studio aber glauben will, er habe etwas ganz anderes gemeint». So versuchte Höcke in der Debatte etwa, das Wort «Remigration» umzudeuten. Er behauptete, mit diesem Begriff nicht etwa auch die Ausschaffung von Deutschen mit Migrationshintergrund gemeint zu haben, sondern, im Gegenteil, deren Rückholung aus dem Ausland.

Als entlarvend bewerteten viele Medien auch Höckes Einlassungen zur SPD-Politikerin Aydan Özoguz. Die stellvertretende Bundestagspräsidentin habe in Deutschland nichts zu suchen, hatte Höcke einst geschrieben. Im Studio wollte er sich daran plötzlich nicht mehr erinnern.

Lob für den stellenweise kampflustigen Auftritt des Thüringers Voigt gab es, wenig überraschend, auch aus der CDU-Parteizentrale. Auffallend ist allerdings, wie überschwänglich die Anerkennung ausfiel. Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann etwa fand, Voigt habe gezeigt, dass er «Ministerpräsident kann». Sein «mutiger Kurs, die Rechtsextremen inhaltlich zu stellen, hat sich als goldrichtig erwiesen». In der Verzückung steckt wohl auch Erleichterung über den Verlauf des Streitgesprächs.

«Braun-schwarze Freak-Show»

Augenfällig war zudem ein Kontrast: Während das Duell in den deutschen Medien das dominante Thema war, fielen die Reaktionen von Politikern eher verhalten aus. Die CDU wertete das Duell mindestens als technischen Knock-out für Voigt, und die AfD feierte erwartungsgemäss ihren Mann. Aber die Vertreter anderer Parteien hielten sich mit Stellungnahmen zurück. Eine Ausnahme war die Reaktion der Linkspartei. «So eine braun-schwarze Freak-Show» habe Thüringen nicht verdient, schimpfte der Parteivorsitzende Martin Schirdewan. Es sei ein Fehler der CDU-Führung in Berlin gewesen, das Duell nicht unterbunden zu haben.

Bedenken muss man bei solchen Einlassungen die besondere Lage der Linken in Thüringen. Sie stellt dort den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Der hat durch diesen Schlagabtausch ähnlich viel zu verlieren wie die CDU, wenn nicht mehr. In den Umfragen zur Landtagswahl im Freistaat am 1. September liegt die AfD noch deutlich vor der Union – und die Linke ist abgeschlagen auf dem dritten Platz. Das Duell erweckte für die Öffentlichkeit den Eindruck, dass sich hier die Politiker stritten, auf die es bei der Wahl zuerst ankommt. Voigt konnte sich als Herausforderer für das Amt des Ministerpräsidenten inszenieren. Ramelow war nirgends zu sehen.

War dieses Streitgespräch nun ein Erfolg? Das kommt auf die Perspektive an. Für Welt TV hat sich das Ganze auf jeden Fall gelohnt. Im Schnitt schauten etwas mehr als eine Million Menschen zu. Der Marktanteil lag damit bei 4,2 Prozent, weit über den sonst üblichen Werten des kleinen Senders. War es ein Erfolg für die Union? Auch das hängt massgeblich vom Standpunkt ab. Viele Bürger, die gewillt sind, die AfD zu wählen, wird dieses Duell gewiss nicht davon abhalten.

Wer sich allerdings noch unsicher ist, der konnte sich einen Eindruck davon verschaffen, wie Höcke und Voigt unter Druck reagieren. Und er konnte die Aussagen anschliessend überprüfen. Viele Medien veröffentlichten unmittelbar nach der Debatte sogenannte Faktenchecks, die teilweise von guter Qualität sind. Insgesamt war dieses Duell, das oft chaotisch und unsortiert wirkte, vor allem eines: ein Erfolg für die Debattenkultur.

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