Zweites TV-Triell: So lief das zweite TV-Triell zwischen Baerbock, Laschet und Scholz
Zwei Wochen vor der Wahl sind Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) erneut zum TV-Triell ums Kanzleramt angetreten.
Die drei Kanzlerkandidaten wurden bei ARD und ZDF zu vielen Themen befragt, unter anderem zum Klimaschutz und der Corona-Pandemie befragt (das Liveblog zum Nachlesen finden Sie hier). Als es um die Razzia im von Scholz geführtem Finanzministerium ging, kam das erste Mal richtig Streit auf.
Wer sagte was bei den unterschiedlichen Themen? Der Überblick.
Razzia im Finanzministerium und GeldwäscheHier wurde es richtig hitzig. Laschet warf Finanzminister Scholz Verantwortlungslosigkeit und Schludrigkeit als Minister vor. Scholz konterte damit, dass Laschet die Tatsachen verdrehe. Hintergrund der Auseinandersetzung ist eine Razzia im Finanzministerium wegen mutmaßlicher Verfehlungen bei der Financial Intelligence Unit (FIU), der Geldwäsche-Spezialeinheit des Zolls.
Scholz wurde von den Moderatoren gefragt, wie gefährlich die Durchsuchungen sein könnten. Er antwortete, die Untersuchungen seien »zur Unterstützung dieser Erkenntnisgewinnung durchgeführt worden, und das hat gar nichts mit den Ministerien zu tun, wo das stattgefunden hat«. Die Ministerien hätten »alles gemacht, was in dieser Frage notwendig ist«.
Laschet warf Scholz umgehend Schönrednerei vor. »Sie haben die Aufsicht über (den Bereich) Geldwäsche«, hielt er ihm vor. Es sei unangemessen, wie der Minister im Zusammenhang mit den Durchsuchungen über die Justiz geredet habe. »Wenn die kommen, müssen Sie sagen hier, ich lege alles offen, und denen nicht vorschreiben, wie sie zu arbeiten haben.«
»Wenn mein Finanzminister so arbeiten würde wie Sie, hätten wir ein ernstes Problem«, sagte Laschet. Zudem kritisierte der Unionskandidat, dass der Bundesfinanzminister die Untersuchung der Staatsanwaltschaft bemängelt habe. Nur Populisten stellten die Unabhängigkeit der Justiz infrage. Scholz konterte, Laschet verdrehe die Dinge. »Herr Laschet, das müssen Sie sich vorwerfen lassen, ganz klar. Diesen falschen Eindruck haben Sie absichtlich erweckt.« Die Staatsanwaltschaft Osnabrück führe keine Untersuchungen gegen sein Ministerium, sondern habe Informationen zu einem Verfahren hinsichtlich der FIU gesucht.
Baerbock äußerte sich nicht direkt zu der Razzia. Sie verwies aber darauf, dass dem Staat jährlich 50 Milliarden Euro Steuergeld durch kriminelle Machenschaften verloren gingen.
KlimaschutzLaschet und Scholz warfen sich bei wichtigen Klimaschutz-Fragen gegenseitig eine Blockade vor. Scholz betonte, die Union habe lange bestritten, dass für den klimagerechten Umbau der Wirtschaft mehr Strom nötig sei. Laschet monierte, die SPD habe Beschleunigungen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren verhindert.
Scholz sprach sich für einen moderaten Anstieg des CO2-Preises aus. Nicht alle Menschen könnten sofort auf ein neues Auto umsteigen, sagt er mit Blick auf den Benzinpreis. »Ich finde es richtig, bei der CO2-Bepreisung moderat vorzugehen.« Sowohl Scholz als Laschet betonen, dass die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Bürger zurückgegeben werden müssten.
Baerbock machte deutlich, mit dem aktuellen Tempo der schwarz-roten Koalition würden Klimaziele deutlich verfehlt. Sie nannte den Klimaschutz »eine riesengroße Kraftanstrengung für unsere Gesellschaft«. Die Grünen wollten daher jährlich 50 Milliarden Euro zusätzlich investieren, etwa in Infrastruktur, Bahnausbau, Windkraftanlagen und Solaranlagen auf den Dächern von Neubauten. Es gelte jetzt zu handeln: »Sonst wird es richtig teuer.«
Baerbock betonte, man müsse deutlich früher als – wie bislang geplant 2038 – aus der Kohleindustrie aussteigen. »Wir können doch nicht 17 Jahre weitermachen, als wäre nichts passiert.« Fossile Energie werde teurer werden, etwa beim Tanken und der Heizung. Die Grünen wollten aber einen Ausgleich schaffen.
Alle drei Kandidaten warben für mehr Corona-Impfungen. Baerbock kritisierte, dass es erst nach eineinhalb Jahren Pandemie von diesem Montag an eine bundesweite Aktionswoche gebe. Wenn man etwa bei Pflege und Kliniken in eine Situation komme, dass nicht genug Menschen geimpft seien, müsse auch die Frage einer Impfpflicht für einzelne Berufsgruppen angegangen werden. Sie sprach sich dafür aus, dass es wie bei Schulkindern auch bei Arbeitnehmern Verpflichtungen zu regelmäßigen Corona-Tests geben müsse. Sie appellierte an die Bürger, sich impfen zu lassen.
Scholz wandte sich gegen eine Testpflicht am Arbeitsplatz. In Betrieben würden Testangebote ohnehin schon breitflächig genutzt. Laschet lehnte ein Impfpflicht ebenso ab.
MietenScholz und Baerbock sprachen sich dafür aus, Schranken gegen steigende Mieten zu errichten. Für Städte mit explodierenden Mieten müsse man es auf Bundesebene ermöglichen, Obergrenzen einzuziehen, sagte Baerbock. Scholz erläuterte, neben dem Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr strebe die SPD ein »Mietmoratorium« an, damit bei Neuvermietungen Mieten nicht mehr so stark steigen könnten.
Laschet legte den Fokus auf Anreize für Investitionen in zusätzliche Wohnungen. Nötig sei »mehr und schnelleres Bauen«. Man müsse etwas machen beim Bauland und die Bauordnung vereinfachen.
Scholz und Baerbock stimmten bei Plänen für eine Bürgerversicherung überein. »Ja, ich will den Weg zu einer Bürgerversicherung gehen«, sagte Baerbock. Der erste Schritt sei, dass privat Versicherte in die gesetzlichen Krankenkassen wechseln könnten. Scholz sagte, er wolle in die Richtung einer Bürgerversicherung gehen. Die Einführung einer solchen Versicherung, in die alle einzahlen, sei für ihn »eine Herzensangelegenheit schon seit langer Zeit«. Besonders werde im Bereich der Pflege deutlich, dass eine solche Versicherung Sinn habe.
Laschet sagte, dass die drei Kandidaten in der Frage »fundamental« auseinander lägen. Er lehnt die Bürgerversicherung als »Einheitsversicherung« ab. Ihn wundere, dass Scholz als Finanzminister angesichts der Erfahrungen in Europa einen solchen Vorschlag mache. Die Einheitsversicherung habe in Dänemark oder Großbritannien ein schlechteres Gesundheitssystem zur Folge.
DigitalisierungBaerbock, Scholz und Laschet benannten Fortschritte bei der Digitalisierung als dringliche Aufgabe der neuen Bundesregierung. Laschet bekräftigte seinen Plan, im Fall einer Kanzlerschaft ein Digitalministerium einzurichten.
Baerbock griff Laschet an und sprach sich gegen ein Ministerium aus, das Zukunftsthema Digitalisierung müsse in den Aufgabenbereich des Kanzlerinnenamtes. Beim Glasfaserausbau müsse man staatlich mit eingreifen.
Scholz betonte, dass für die Breitbandinfrastruktur schon viel Geld zur Verfügung gestellt worden sei. »Ich glaube, es liegt schon längst nicht mehr am Geld.« Es müsse sichergestellt werden, dass mit finanzieller Hilfe des Bundes die Länder und Gemeinden dafür sorgten, dass alle Schulen an das Netz angebunden seien.
Scholz sagte, es dürfe keinen Anstieg des Renteneintrittalters geben, die Rente müsse stabil bleiben. Laschet bezeichnete die Antwort des SPD-Spitzenkandidaten als nicht seriös. Man könne heutigen Berufseinsteigern nicht sagen, dass alles so bleiben werde, wie es jetzt sei. Man werde allerdings nach der Wahl ein neues Rentensystem entwerfen können, unter anderem durch eine verbesserte betriebliche Altersvorsoge und eine Generationenversicherung, wo für jeden ab Geburt eingezahlt werden soll.
Steuern und FinanzenLaschet sagte, Steuererhöhungen seien in der jetzigen Phase der Wirtschaft der falsche Weg. Scholz kritisierte konkret die Wahlvorschläge der Union. In diesen stehe, dass Leute, die sehr viel verdienen, Steuersenkungen bekommen sollen. Das sei unfinanzierbar. Der Staat habe Schulden gemacht, um die Coronakrise bekämpfen. Steuererhöhungen würden jetzt keine Unternehmer aus dem Land vertreiben.
Baerbock argumentierte, dass jetzt viel investiert werden müsse. Sie plädierte für die Bekämpfung von Steuerbetrug, einen erhöhten Einkommenssteuersatz ab 100.000 Euro Jahresverdienst und die Prüfung einer Vermögensteuer. Menschen mit geringen Einkommen sollen steuerlich entlastet werden.
Laschet und Baerbock wurden nach umstrittenen Mitgliedern ihrer Parteien befragt – Hans-Georg Maaßen (CDU) und Boris Palmer (Grüne). Gegen letzteren läuft ein Parteiausschlussverfahren.
Laschet antwortete nicht auf die Frage, ob er Maaßen wählen würde, nicht und verwies darauf, dass er selbst in Aachen zur Wahl gehe. »Herr Maaßen wird sich an den Kurs halten müssen, den ich als Parteivorsitzender und dann als möglicher Kanzler vorgebe.« Baerbock sagt, sie erwarte von der CDU, »dass sie die Brandmauer nach rechts voll und ganz schließt«. Laschet betont daraufhin eine klare Abgrenzung der Union gegenüber der AfD.
Die Entscheidung der Bundeskanzlerin, 2015 die Grenzen nicht zu schließen, sei »richtig« gewesen. »Die Rechte bekämpfe ich. Die gehören nicht in Parlamente. Die sind die geistigen Brandstifter, die am Ende zu solchen Morden führen wie an unserem Parteifreund Walter Lübcke«, sagte der CDU-Chef.
Baerbock warf Laschet vor, die Linkspartei mit der AfD gleichzusetzen und forderte den Unionskandidaten auf, sich klar zum Kampf gegen rechte Kräfte zu bekennen. Auch sie habe wegen rassistischer Äußerungen Palmers klar Position gegen den umstrittenen Tübinger Oberbürgermeister bezogen.
KoalitionsfrageLaschet schloss eine Juniorrolle der Union in einer SPD-geführten Bundesregierung nicht generell aus. »Demokraten untereinander müssen nach der Wahl miteinander reden«, sagte er. Scholz wiederum legte sich erneut nicht eindeutig fest, ob er eine Koalition zusammen mit der Linken ausschließt. Baerbock betonte, sie kämpfe mit aller Kraft für einen Aufbruch in Deutschland. »Das geht nur mit Grünen in führender Rolle.« Sie sagte ebenfalls, nach der Wahl müssten alle demokratischen Parteien miteinander reden. Dabei schloss sie die Linke mit ein. Sie warnte vor einer Gleichsetzung der Linken mit der AfD. Das sei »brandgefährlich«.
SchlussworteLaschet warb in seinem Schlusswort um Vertrauen. Er werde die Bürgerinnen und Bürger nicht »gängeln und vorschreiben, wie sie zu denken, reden und zu leben haben«. Er werde zudem Bürokratie abbauen und wolle Deutschland zu einem klimaneutralen Industrieland umbauen. »Ich will ein Bundeskanzler des Vertrauens werden.«
Baerbock appelliert an die Wählerinnen und Wähler: »Sie haben die Wahl: Schaffen wir einen echten Aufbruch oder verharren wir im Weiter so?« Die nächste Bundesregierung sei die letzte, die noch aktiv auf die Klimakrise Einfluss nehmen könne. Sie wolle als Kanzlerin stehen »für eine moderne Regierung, die handelt, bevor es zu spät ist«.
Scholz bat um Zusammenhalt und Solidarität. »Es ist jetzt eine Entscheidung über die Zukunft Deutschlands zu treffen«, sagte Scholz. Er trete für mehr Respekt vor und für jeden ein, dass jede Lebensleistung anerkannt werde. Scholz verspricht eine Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro und sichere Renten. Er wolle Deutschland als Bundeskanzler dienen.
Ein weiteres TV-Triell wird es noch geben, am kommenden Wochenende - eine Woche vor der Wahl. Dann übertragen ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins.
ulz/svs/dpa