Das Ukraine-Update: Die Lage am 9. März im Überblick
Das Ukraine-Update am 9. März: USA lehnen Kampfjet-Deal ab, Tschernobyl ohne Strom: Was bisher passiert ist
Die USA haben dem polnischen Angebot, alte MiG-29 Kampfjets für die Ukraine zur Verfügung zu stellen, eine Absage erteilt. Ukraine und Russland öffnen sechs Fluchtrouten und Tschernobyl ist von der Stromversorgung abgeschnitten. Die Lage am 9. März im Überblick.
- USA gegen Lieferung von Nato-Kampfjets an Ukraine
Die USA weisen das Angebot Polens, alte MiG-29 Kampfflugzeuge aus Sowjetbestand an die US-amerikanische Luftwaffenbasis in Ramstein zu liefern, zurück. Von dort sollten die Flugzeuge dann an die Ukraine zum Kampf gegen Russland gegeben werden. „Wir glauben nicht, dass der politische Vorschlag haltbar ist“, so Pentagon-Sprecher John Kirby. Er erklärte, dass diese Idee „dem gesamten Nato-Bündnis Anlass zu ernsten Bedenken“ gebe.
Die polnische Seite hatte in den vergangenen Tagen entsprechende Berichte zurückgewiesen. Wie Russland auf die Lieferung von Nato-Kampfjets an die Ukraine reagiert hätte, ist unklar. Die polnische Regierung sieht nun die Entscheidung über die Weitergabe der Flugzeuge bei der Nato, sagte Regierungschef Mateusz Morawiecki am Mittwoch. Bundeskanzler Olaf Scholz erteilte der Lieferung am Nachmittag eine klare Absage: „Wir müssen genau überlegen, was wir konkret tun. Und dazu gehören ganz sicherlich keine Kampfflugzeuge."
- Fluchtkorridore am Mittwoch erneut geöffnet
Am Mittwochmorgen haben die Ukraine und Russland erneut die Einrichtung mehrerer Fluchtkorridore für Zivilisten verienbart. Die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk teilte mit, dass die Korridore von 8 bis 20 Uhr offen sein sollen.
Die vereinbarten sechs Routen verlaufen unter anderem von Enerhodar nach Saporischschja im Süden des Landes, von Isjum nach Losowa im Osten und von Sumy nach Poltawa im Nordosten. Über drei weitere festgelegte Routen sollten demnach Zivilisten von den Kiewer Vororten Butscha, Irpin und Hostomel in die Hauptstadt gelangen. Allerdings sollen nur Frauen und Kinder mitgenommen werden.
- Selenskyj dankt Biden – EU spricht neue Sanktionen aus
Unterdessen hat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Video-Botschaft an die Öffentlichkeit gewandt. Er lobte US-Präsident Biden für den Importstopp von russischem Öl und Gas. Der Westen sollte seine Sanktionen verschärfen, so Selenskyj: „Es ist ganz einfach: Jeder Penny, der an Russland gezahlt wird, verwandelt sich in Kugeln und Projektile, die auf andere souveräne Staaten fliegen.“
Die 27 EU-Staaten verständigten sich unterdessen auf neue Sanktionen gegen Russland und Belarus. Wie die EU-Ratspräsidentschaft in Brüssel mitteilte, sollen weitere Oligarchen und deren Angehörige auf Sanktionslisten kommen, Vermögen sollen eingefroren und Einreisesperren in Kraft gesetzt werden. Auf die ukrainischen Forderungen nach einem Importstopp von russischer Energie konnten sich die EU-Staaten nicht einigen.
Auch für weitere Verhandlungen zeigte sich der Ukrainer offen: „Der Krieg muss enden. Wir müssen uns an den Verhandlungstisch setzen - ehrlich, sachlich und im Sinne der Menschen, nicht von mörderischen Ambitionen“, sagt er weiter.
- 1000 „Wagner“-Söldner sollen Russlands Invasion in Kiew ermöglichen
Die “Gruppe Wagner“, eine Söldnermiliz in Diensten Russlands, soll den Sturm auf die ukrainische Hauptstadt Kiew planen. Das geht aus einem Dokument des ukrainischen Verteidigungsministeriums hervor, das FOCUS Online vorliegt.
Demzufolge sollen die Söldner am 9. März getarnt als „normale“ Soldaten in der Region Kiew ankommen. Zusammen mit den „Kadyroviten“, der Eliteinheit des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrov, soll „Wagner“ das Rückgrat der russischen Bodentruppen bei der Invasion Kiews bilden. Wann diese beginnen soll, wird in dem Dokument nicht erwähnt.
- Atomruine Tschernobyl ohne Strom
Das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl ist rund zwei Wochen nach der Einnahme durch russische Einheiten von der Stromversorgung abgeschnitten. Durch Beschuss seien Leitungen beschädigt worden, teilte der ukrainische Netzbetreiber Ukrenerho mit.
Bereits seit zwei Wochen harren ukrainische Mitarbeiter in Tschernobyl aus. Durch die Besetzung sei ein Schichtwechsel nicht möglich. Die Internationale Atomenergiebehörde warnt vor einer verschlechterten Lage in Tschernobyl. Man habe keinen Zugriff mehr auf Überwachungsgeräte.
Das Ukraine-Update: Was in der Nacht in der passiert ist- Ukraine: Berichte über Tote und Verletzte bei Luftangriffen auf mehrere Städte, darunter Kinder
Bei neuen Luftangriffen auf Städte in der Ukraine sind den Behörden zufolge mehrere Menschen getötet oder verletzt worden. In der Stadt Malyn im Gebiet Schytomyr starben drei Erwachsene und zwei Kinder, als Bomben sieben Häuser zerstörten, wie der Zivilschutz in der Nacht zu Mittwoch mitteilte. In Ochtyrka bei Sumy kam mindestens ein Mensch ums Leben, 14 Menschen wurden demnach verletzt. Die russische Armee habe zwei Stunden lang die zivile Infrastruktur des Ortes beschossen, sagte der Chef der Gebietsverwaltung, Dmytro Schywyzkyj. Die Angaben sind nicht unabhängig zu prüfen.
In der Nähe der Großstadt Charkiw starben zwei Menschen, darunter ein sieben Jahre altes Kind, dem Zivilschutz zufolge beim Einschlag eines Geschosses in ein Wohnhaus. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar seien bei Kämpfen in Charkiw 170 Zivilisten getötet worden, darunter fünf Kinder, sagte ein Behördensprecher der Agentur Unian zufolge. Russland beharrt darauf, dass die Truppen keine zivilen, sondern nur militärische Ziele angriffen. In der Nähe der Stadt Schytomyr zerstörten Luftangriffe nach Angaben von Bürgermeister Serhij Suchomlyn ein Werk für Mineralwolle.
- Erste Stadt, in der Fluchtkorridor funktionierte: Tausende verlassen umkämpfte Stadt Sumy
Nach zwei Wochen Krieg in der Ukraine scheint zumindest einer von fünf vereinbarten Fluchtkorridoren zu funktionieren. Rund und 5000 Ukrainer und etwa 1700 ausländische Studenten hätten sich aus der Großstadt Sumy gerettet, erklärte die ukrainische Regierung in der Nacht zum Mittwoch. Die Fluchtrouten führten etwa nach Poltawa, nach Lwiw (Lemberg) oder in benachbarte EU-Länder.
Sumy liegt etwa 30 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Seit Tagen wird die von russischen Truppen angegriffen. Das zentralukrainische Poltawa liegt etwa 170 Kilometer südlich und ist bisher weitgehend verschont geblieben.
- Russische Wirtschaft wankt: Laut Ratingagentur Fitch „unmittelbar vor Zahlungsausfall“
Die US-Ratingagentur Fitch hat die Kreditwürdigkeit Russlands erneut herabgestuft. Die Agentur bewertete das Risiko, dass Russland seine Staatsschulden nicht mehr zurückzahlen könnte, in der Nacht zum Mittwoch als „unmittelbar bevorstehend“ ein. Fitch begründete die neue Bewertung mit „Entwicklungen, die Russlands Bereitschaft zur Rückzahlung der Staatsschulden weiter untergraben haben“.
Die großen Ratingagenturen hatten Russlands Bonität bereits Anfang März auf Ramschniveau abgesenkt. Der Westen hat Russland wegen dessen Angriffskriegs in der Ukraine mit harten Finanzsanktionen belegt und der russischen Zentralbank den Zugriff auf den größten Teil seiner riesigen Devisenreserven im Ausland blockiert.
Am Dienstagabend hatte die russische Zentralbank den Devisenhandel in Russland ausgesetzt, um die extreme Abwertung des Rubel und die Kapitalflucht aus dem Land zu bremsen.
- USA bezeichnen Polens Angebot zur Lieferung von MiG-29-Jets als „nicht haltbar“
Die USA haben das Angebot Polens zur Lieferung von Kampfflugzeugen vom Typ MiG-29 an den US-Stützpunkt in Ramstein als „nicht haltbar“ bezeichnet. „Wir werden uns weiterhin mit Polen und unseren anderen Nato-Verbündeten über dieses Thema und die damit verbundenen schwierigen logistischen Herausforderungen beraten, aber wir glauben nicht, dass der polnische Vorschlag haltbar ist“, erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby am Dienstagabend (Ortszeit).
Berichten zufolge sollten die Maschinen anschließend der Ukraine geliefert werden, deren Piloten an diesem Typ geschult sind. Kirby erklärte jedoch, dass die Aussicht, dass die Kampfjets von einem US-Nato-Stützpunkt aus in den umkämpften ukrainischen Luftraum fliegen könnten, „dem gesamten Nato-Bündnis Anlass zu ernsten Bedenken“ gibt.
- Ukrainischer Außenminister Kuleba drängt auf weitere Sanktionen gegen Russland
Die Ukraine will bei westlichen Ländern und Unternehmen weiter auf zusätzliche Strafmaßnahmen gegen Russland drängen. „Jede Sanktion, jedes Unternehmen, das Russland verlässt, ist eine Annäherung an den Sieg“, teilte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba in der Nacht zu Mittwoch bei Facebook mit. „Es ist ein bewahrtes menschliches Leben, eine Kindheit ohne Angst, ein unzerstörtes Haus, ein Krankenhaus, eine Schule.“
Um Sanktionen gegen Russland oder Waffenlieferungen an die Ukraine zu erreichen, seien viele komplexe Gespräche nötig. „Es gibt Versuche einzelner Partner, sich auf halbe Lösungen zu beschränken. Einige versuchen, auf Zeit zu spielen. Aber wir bremsen nicht“, erklärte Kuleba. Er warb um Verständnis für das gelegentlich intensive Drängen. „Manchmal beschuldigen die Partner den Präsidenten, mich, uns alle der Schärfe. Ja, wir sind drastisch. Manchmal rücksichtslos“, meinte der Außenminister. Dies geschehe aber vor allem gegenüber jenen, die nicht ganz aufrichtig seien.
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- In Mariupol warten 200.000 Menschen - Russland kündigt Fluchtkorridore für Mittwoch an
Für das umkämpfte Mariupol fordere die Ukraine von Russland einen Fluchtkorridor nach Saporischschja, sagte Wereschtschuk. Seit Tagen werde vergeblich versucht, Hilfslieferungen in die Hafenstadt zu bringen. In Mariupol warten nach Angaben des Roten Kreuzes 200.000 Menschen darauf, aus der Stadt zu kommen. Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz ist die Lage katastrophal.
Russland hatte mitgeteilt, zur Rettung von Zivilisten aus umkämpften Städten in der Ukraine erneut Fluchtkorridore zu schaffen. Dazu solle am Mittwoch um 8.00 Uhr MEZ eine Waffenruhe in Kraft treten, teilte Generaloberst Michail Misinzew vom Verteidigungsministerium mit. Zuletzt gab es mehrere Berichte, wonach Russland die für die Fluchtkorridore vereinbarte Waffenruhe verletzte, so war die die Route aus Mariupol nach Angaben des Roten Kreuzes vermint.
- Ausblick: Das wird heute wichtig
Nach russischen Angaben soll ab 8 Uhr eine Feuerpause gelten, um weitere Fluchtmöglichkeiten zu eröffnen. Bundeskanzler Olaf Scholz spricht mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau. Und der Innenausschuss des Bundestags befasst sich mit den Folgen des Krieges.
Chronologie des Krieges: Hier geht's zur Lage am 8. März im Überblick
Selenskyj meldet sich aus seinem Büro: „Ich bleibe in Kiew. Ich habe keine Angst“
Bundeskanzler Olaf Scholz telefonierte am Freitag eine Stunde lang mit Russlands Präsident Putin. Während Scholz den Krieg verurteilte, tischte ihm Putin eine ganz eigene Version der Lage auf. Russland würde keine ukrainischen Städte bombardieren, so der Despot.
Nach dem Einmarsch der russischen Streitkräfte in die Ukraine herrscht vielerorts Entsetzen. Die Reaktionen auf die Invasion fallen dabei teils sehr deutlich aus. Während Sachsens Ministerpräsident dafür wirbt, nicht alle Kontakte nach Russland abzubrechen, warnt ein Historiker vor Putins Reaktion auf ein mögliches Scheitern.
Seit zehn Tagen tobt Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, doch noch immer verteidigen die ukrainischen Streiftkräfte mit aller Kraft. Eine starke Front, die offenbar auch Putin und seine Armee überrascht. Die sieht sich mit einem doppelten Widerstand konfrontiert – neben tapferen Zivilisten verteidigen vom Westen ausgebildete und ausgestattete Spezialkräfte das Land.
rob/pip