Das Ukraine-Update: Die Lage am 8. März im Überblick
Das Ukraine-Update am 08. März: Mehr Truppen bei Kiew, USA boykottieren Russen-Energie: Was heute passiert ist
Polen will alte Sowjet-Kampjets an die Ukraine liefern. Russische Truppen sollen nun auch nordöstlich von Kiew aufmarschieren, die Ukraine könnte auf einen Natobeitritt verzichten. Und: Die USA kündigen einen Importstopp von russischem Öl und Gas an. Die Ukraine-Lage vom 8. März im Überblick.
- Neuer Militärtrupp bei Kiew gemeldet – Mariupol „isoliert“
Die Belagerung und Einkesselung ukrainischer Städte durch russische Truppen ging auch am Dienstag weiter. Im Nordosten der Hauptstadt Kiew sollen neue Armeezüge aufmarschiert sein, so ein hochrangiger Beamter des US-Verteidigungsministeriums am Nachmittag. Nordwestlich der Stadt steht bereits seit Tagen ein über 60 Kilometer langer Konvoi aus Militärfahrzeugen. Es gilt als wahrscheinlich, dass die russischen Truppen Kiew von allen Seiten einkesseln wollen. Bislang sei die Hauptstadt aus der Luft beschossen worden.
Auch in der Hafenstadt Mariupol, im Süden des Landes, verschärft sich die Lage weiter. Laut US-Angaben sei die Stadt im Norden und Süden mittlerweile von russischen Truppen „isoliert“. Bei laufenden Evakuierungen aus der Stadt Sumy seien am Abend die ersten Zivilisten über den humanitären Korridor gerettet worden. „Der erste Konvoi von 22 Bussen ist bereits in Poltawa angekommen“, erklärte ein Kiewer Regierungsbeamter am Dienstagabend. Poltawa liegt rund 175 Kilometer südlich von Sumy.
Die Internationale Atomenergiebehörde zeigt sich zudem besorgt über die Lage im ehemaligen Atomkraftwerk Chernobyl. Durch die Besetzung des Gebietes durch russische Truppen sei ein Austausch der Mitarbeiter nicht mehr möglich. Die Angestellten würden seit zwei Wochen im Kontrollzentrum der Reaktor-Ruine verbringen. „Ich bin tief besorgt wegen der schwierigen und belastenden Lage der Mitarbeiter im Atomkraftwerk Tschernobyl.
- Polen übergibt Nato-Kampfjets an Ukraine - USA überrascht
Die polnische Regierung hat am Dienstagabend angekündigt, den USA sämtliche Kampfflugzeuge des Typs MiG-29 an die im rheinland-pfälzischen Ramstein zu übergeben. Damit wäre der Weg frei für die USA, diese Kampfjets an die Ukraine weiterzugeben. Die polnische Regierung hatte sich in den letzten Tagen vorsichtig gezeigt, was eine direkte Lieferung der Kampfjets an die Ukraine angeht.
Die USA scheinen von dem plötzlichen Einlenken Polens überrumpelt. „Das war ein überraschender Schachzug der Polen“, so die leitende Staatsekretärin des US-Außenministeriums, Toria Nuland, am Abend. Aus US-Regierungskreisen heißt es, es handele sich zunächst um ein Angebot Polens. Der Deal sei noch nicht fest vereinbart.
Die ukrainischen Luftwaffenpiloten sind ausschließlich an Kampfflugzeugen vom Typ MiG-29 und Suchoi-27 ausgebildet. Laut dem Internationalen Institut für Strategische Studien (IISS) verfügen in der EU außer Polen noch die Slowakei und Bulgarien über MiG-29. Polen hatte seine 28 Maschinen zu Beginn der 2000er Jahre für die symbolische Summe von einem Euro von Deutschland bekommen. Polen bittet die USA im Gegenzug um „gebrauchte Flugzeuge mit den gleichen Einsatzfähigkeiten“, um die Lücke zu füllen.
- Selenskyj-Partei will auf Nato-Beitritt der Ukraine verzichten
Die Partei des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat sich bereit gezeigt, auf einen Beitritt der Ukraine in die Nato zu verzichten. Stattdessen könnten „die USA, die Türkei und die Nachbarstaaten der Ukraine“ Garantiepartner werden, heißt es in einer Mitteilung. „Die Allianz ist nicht bereit, die Ukraine im Verlauf der nächsten mindestens 15 Jahre aufzunehmen“, so die Begründung.
- USA verhängen Importstopp für russisches Öl und Gas
Die USA boykottieren russische Energielieferungen. „Wir verbieten alle Importe von Erdöl, Gas und Energie aus Russland“, sagte Biden am Dienstag im Weißen Haus. „Tyrannen wie Putin werden nicht fossile Brennstoffe als Waffe gegen andere Länder einsetzen können“, so Biden. Die USA wollen weltweit führend bei dem Ausbau von erneuerbaren Energien werden.
Auch die Fast-Food-Kette McDonalds kündigte am Abend an, alle Fillialen in Russland zu schließen. Der Beschluss gelte zunächst zeitweise, heißt es. Auch alle anderen Geschäfte in Russland werden eingestellt. Damit reagiert der Konzern auf die weltweite Kritik, seine Läden trotz des Krieges geöffnet zu lassen. Andere bekannte Marken wie Ikea oder Hermes haben bereits ihr Geschäft in Russland eingestellt. Auch Coca Cola, Pepsico und Starbucks geben am Dienstag bekannt, ihr Geschäft in Russland einstellen zu wollen.
Was bisher am Tag passiert istDie ersten Evakuierungen aus weiteren Städten der Ukraine haben begonnen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters habe der Gouverneur der Region Kiew bestätigt, dass die Evakuierungen aus Irpin nahe Kiew begonnen haben. Gute Nachricht auch aus der eingekesselten Hafenstadt Mariupol: Dort sollen Busse aus Zaporizhia angekommen sein, um von dort aus die Menschen an sichere Orte zu schaffen. Außerdem sollen auch Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern in Richtung Mariupol unterwegs sein.
Dennoch bleibt die Lage ungewiss. Wie der Journalist Oleksiy Sorokin unter Berufung auf das ukrainische Verteidigungsministerium berichtet, sollen russische Streitkräfte einen Angriff auf Mariupol von der Straße aus gestartet haben, welche als humanitärer Korridor genutzt werden sollte. Die Straße wurde zuvor von Minen und Stacheldraht geräumt, damit die Zivilisten die Fluchtroute sicher nutzen können.
Diese Informationen sind bisher nicht unabhängig überprüfbar. Sollten sie sich bewahrheiten, hieße es, dass Russland die Waffenruhe gebrochen habe, die seit 10 Uhr (russischer Zeit) gilt.
Die Nato geht davon aus, dass Angaben über russische Angriffe auf flüchtende Menschen in der Ukraine der Wahrheit entsprechen. „Es gibt sehr glaubwürdige Berichte, dass Zivilisten bei der Evakuierung unter Beschuss geraten“, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag bei einer Pressekonferenz. „Zivilisten ins Visier zu nehmen, ist ein Kriegsverbrechen, und es ist vollkommen inakzeptabel“, ergänzte der Norweger.
Laut des ukrainischen Mediums „Nexta“ unter Berufung auf ukrainische Behörden sollen russische Truppen einen Evakuierungsbus und einige Dörfer rund um Kiew beschossen haben. Ein nicht unabhängig überprüfbares Bild des Busses zeigt das Ausmaß der Zerstörung.
In der Nacht sind in der nordostukrainischen Großstadt Sumy den örtlichen Behörden zufolge mindestens 21 Menschen durch Luftangriffe getötet worden. Unter den Todesopfern sollen auch zwei Kinder sein, teilte die Staatsanwaltschaft der gleichnamigen Region auf Facebook mit. Die Angaben waren zunächst nicht unabhängig zu überprüfen. In der Nacht hatte der Chef der Gebietsverwaltung, Dmytro Schywyzkyj, von zehn Toten gesprochen.
Aktuell laufen die ersten Evakuierungen aus der Stadt Sumy. Die ukrainische Regierung teilte via Twitter mit, dass der erste Fluchtkorridor für die Zivilisten geöffnet wurde. Russland, das Rote Kreuz und die Stadt Sumy haben die Vereinbarung getroffen, dass die Evakuerung bis 20.00 Uhr (MEZ) gelte. Das bestätigt die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk. Die Route führe über Holubiwka, Lochwyzja und Lubny in die 170 Kilometer entfernte zentralukrainische Großstadt Poltawa.
Aufgrund des seit knapp zwei Wochen andauernden Angriffskriegs der russischen Armee hat Kiew beschlossen, die ukrainischen Soldaten, welche im Auslandseinsatz waren, zurückzuholen. Das entsprechende Dekret von Präsident Wolodymyr Selenksyj wurde in der Nacht veröffentlicht. Nach offiziellen Angaben sollen aktuell mehr als 300 Soldaten in acht Missionen im Ausland stationiert sein.
Der Generalbundesanwalt Peter Frank hat wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen durch russische Streitkräfte in der Ukraine ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, wie der „Spiegel“ berichtet. Dabei soll es sich um ein sogenanntes Strukturverfahren handeln. Der Grund: Die Strafverfolger hätten unter anderem Berichte über Streubomben, Angriffe auf Wohnviertel, eine Gaspipeline, eine Atommülldeponie und ein Heizkraftwerk auf den Plan gerufen.
Nach dem Völkerstrafgesetzbuch kann der Generalbundesanwalt Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit weltweit verfolgen. Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung von Ermittlungen der Bundesanwaltschaft berichtet.
„Mögliche Verletzungen des Völkerstrafrechts müssen konsequent verfolgt werden“, sagte er der Zeitung. „Wir werden alle Beweise für Kriegsverbrechen erheben und sichern.“
Bundeskanzler Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping über Putins Angriffskrieg in der Ukraine gesprochen. Das chinesische Staatsfernsehen berichtete, dass es dafür am Dienstag eine Videoschalte gab.
Aus Berlin und Paris gab es bisher keinerlei Angaben zu dem Gespräch. Scholz und Macron hatten das Gespräch mit Xi Jinping gesucht, um die diplomatischen Bemühungen für ein Ende des Kriegs voranzubringen.
- Behörden: Mehr als zehn Tote bei Luftangriffen auf ukrainische Stadt Sumy
Bei Luftangriffen auf die nordostukrainische Großstadt Sumy wurden den örtlichen Behörden zufolge mehr als zehn Menschen getötet, darunter auch Kinder. „In einigen Ortschaften wurden Wohngebäude bombardiert. Und fast im Zentrum von Sumy wurden mehrere Häuser durch einen Bombentreffer zerstört“, teilte der Chef der Gebietsverwaltung, Dmytro Schywyzkyj, mit. Die Angaben waren nicht unabhängig zu prüfen.
- Belagertes Mariupol ohne Strom, Wasser und Gas - Lwiw bittet um Unterstützung
In der von Russland belagerten Hafenstadt Mariupol spitzt sich die Lage nach Angaben des Stadtrats Kommune weiter zu. „Es gibt keine Straße ohne kaputte Fenster, zerstörte Wohnungen oder Häuser.“ Die Stadt sei ohne Strom, Wasser und Gas. Mariupol liegt nahe der sogenannten Kontaktlinie zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischer Armee im Verwaltungsbezirk Donezk. Die Stadt hat strategisch große Bedeutung.
Die westukrainische Stadt Lwiw bittet internationale Organisationen um Unterstützung bei der Unterbringung von Kriegsflüchtlingen. Die Stadt sei zu einem Zufluchtsort für etwa 200.000 Menschen geworden, die vor Bombeneinschlägen und Raketenangriffen geflohen seien, sagte Bürgermeister Andrij Sadowyj einer Mitteilung zufolge. Die Menschen bekämen warmes Essen und alles Nötige. „Dies ist eine extrem schwere Belastung für die Stadt, und heute stehen wir am Rande unserer Fähigkeiten“, warnte er.
- Weltbank plant Ukraine-Hilfspaket in Höhe von 700 Millionen US-Dollar
Die Weltbank hat als Unterstützung für die Ukraine ein Paket beschlossen, das dem Land mehr als 700 Millionen Dollar (645 Millionen Euro) neuer Kredite und Hilfen einbringen soll. Die Organisation handle rasch, um die Ukraine angesichts von Gewalt und Zerstörung infolge des russischen Einmarsches zu unterstützen, wie Weltbankpräsident David Malpass am Montagabend (Ortszeit) in Washington erklärte. Dies sei nur „der erste von vielen Schritten“, um der Ukraine zu helfen. Die schnelle Auszahlung werde der Regierung helfen, Sozialleistungen zu finanzieren sowie Mitarbeiter des Gesundheitswesens und Renten zu zahlen, erklärte die Weltbank.
Das Paket mit einem Gesamtvolumen von 723 Millionen Dollar setzt sich demnach aus einem Kredit der Weltbank zur Stabilisierung des ukrainischen Haushalts in Höhe von 350 Millionen Dollar und zusätzlichen Kreditgarantien von Schweden und den Niederlanden von zusammen rund 140 Millionen Dollar zusammen. Dazu kommen Hilfszusagen Großbritanniens, Dänemarks und anderer Länder von 134 Millionen Dollar. Letztlich mobilisiere Japan noch zusätzlich eine Finanzierung von 100 Millionen Dollar, erklärte die Weltbank.
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Russland ist nach Angaben aus den USA inzwischen mit nahezu allen für den Einmarsch in die Ukraine vorgesehenen Truppen in das Land eingerückt. „Fast 100 Prozent“ der in den vergangenen Wochen an der ukrainischen Grenze zusammengezogenen „Kampfkraft“ befinde sich inzwischen in der Ukraine, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, am Montag. Nach westlichen Angaben hatte Russland vor Beginn seines Angriffs auf die Ukraine mehr als 150.000 Soldaten an den Grenzen aufmarschieren lassen.
„Er hat fast alle von ihnen drinnen“, sagte der Vertreter des Pentagon mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er bestätigte zudem einen Medienbericht, wonach Russland für den Häuserkampf in der Ukraine syrische Kämpfer anwerben will. „Wir wissen, dass sie versuchen, Syrer für den Kampf zu rekrutieren.“
Russland bietet nach Angaben seines UN-Botschafters am Dienstag eine erneute Feuerpause zur Öffnung humanitärer Korridore in der Ukraine an. Wassili Nebensja zitierte am Montag (Ortszeit) vor dem UN-Sicherheitsrat in New York aus einer neuen Erklärung aus Moskau: „Darin heißt es, dass die russische Partei erneut sagt, dass morgen, am 8. März um 10 Uhr morgens Moskauer Zeit (8 Uhr MEZ), eine Waffenruhe durchgeführt und humanitäre Korridore geöffnet werden sollen“, um Bürger aus Kiew, Tschernihiw, Sumy, Charkiw und Mariupol zu evakuieren.
In einer Stellungnahme des russischen Verteidigungsministeriums auf dem Kurznachrichtenportal Telegram zufolge schienen die humanitären Korridore aber hauptsächlich oder komplett in Richtung Russland oder Belarus zu verlaufen. Botschafter Nebensja betonte jedoch, dass Flüchtlinge nicht unbedingt nach Russland geschickt würden: „Es wird auch eine Evakuierung in Richtung ukrainischer Städte westlich von Kiew angeboten.“
Bundeskanzler Olaf Scholz telefonierte am Freitag eine Stunde lang mit Russlands Präsident Putin. Während Scholz den Krieg verurteilte, tischte ihm Putin eine ganz eigene Version der Lage auf. Russland würde keine ukrainischen Städte bombardieren, so der Despot.
Nach dem Einmarsch der russischen Streitkräfte in die Ukraine herrscht vielerorts Entsetzen. Die Reaktionen auf die Invasion fallen dabei teils sehr deutlich aus. Während Sachsens Ministerpräsident dafür wirbt, nicht alle Kontakte nach Russland abzubrechen, warnt ein Historiker vor Putins Reaktion auf ein mögliches Scheitern.
Seit zehn Tagen tobt Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, doch noch immer verteidigen die ukrainischen Streiftkräfte mit aller Kraft. Eine starke Front, die offenbar auch Putin und seine Armee überrascht. Die sieht sich mit einem doppelten Widerstand konfrontiert – neben tapferen Zivilisten verteidigen vom Westen ausgebildete und ausgestattete Spezialkräfte das Land.