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Ehammers WM-Coup – Der Schweizer springt sensationell zu Bronze

Ehammers WMCoup  Der Schweizer springt sensationell zu Bronze
Der 22-Jährige Appenzeller gewinnt Bronze im Weitsprung – der Disziplin, die er am wenigsten trainiert. Es ist erst die 9. WM-Medaille für die Schweiz.
Simon Ehammer springt sensationell zu Bronze Der 22-Jährige Appenzeller gewinnt Bronze im Weitsprung – der Disziplin, die er am wenigsten trainiert. Es ist erst die 9. WM-Medaille für die Schweiz.
Monica Schneider
Aktualisiert vor 2 Stunden
Schweizer WM-Medaillen-Gewinner: Simon Ehammer behauptet sich unter den Weitsprung-Spezialisten, fliegt auf 8,16 m und gewinnt Bronze. 

Schweizer WM-Medaillen-Gewinner: Simon Ehammer behauptet sich unter den Weitsprung-Spezialisten, fliegt auf 8,16 m und gewinnt Bronze. 

Foto: Jean-Christophe Bott (Keystone)

Der chinesische Weltmeister weinte vor Freude, der griechische Olympiasieger schüttelte immer wieder den Kopf vor Frust, und Simon Ehammer wickelte sich schnell in die Schweizer Fahne und drehte eine kleine Ehrenrunde auf dem Rasen des Hayward Fields: Eben hatte er sich seinen grossen Traum erfüllt – den Gewinn einer WM-Medaille. Was es werden würde, hatte er bis fast zuletzt nicht gewusst, denn das Weitspringen wurde gegen Ende noch zum Krimi. Dem Chinesen Jianan Wang, der als 18-Jähriger 2015 schon Bronze gewonnen hatte, gelang in seinem sechsten und letzten Versuch der Goldsprung auf 8,36 m. Damit verdrängte er Miltiadis Tentoglou noch von Platz 1 (8,32 m) und den Schweizer vom Silberplatz (8,16 m). Sie beide hatten den Wettkampf lange Zeit angeführt. 

Der erste Mehrkämpfer mit Medaille bei den Spezialisten

Die Bronzemedaille ist nach diesem Wettkampfverlauf trotzdem nicht eine Enttäuschung, sondern vielmehr die vorläufige Krönung eines Athleten, der erst 22 Jahre alt und in erster Linie Zehnkämpfer ist. Und Simon Ehammer verewigt sich mit dieser Bronzemedaille, die ihm erst aus Pappkarton umgehängt wurde, auch in den Büchern der Weltleichtathletik: Der Appenzeller ist der erste Mehrkämpfer, der bei den Spezialisten eine WM-Medaille gewinnt. «Dass das so ist, wusste ich gar nicht», sagte er und ist eine Exklusivität reicher.

Dass er ein aussichtsreicher Medaillenkandidat sein würde, war ihm schon klar. Nach seinem Fabelsprung im Zehnkampf von Götzis, bei dem er bei sagenhaften 8,45 m gelandet war, übernahm er die Spitze der Jahresweltbestenliste. Und als Nummer 1 im Weitsprung ist er auch nach Eugene gereist – und bleibt sie auch weiterhin. Über den Sommer waren ihm regelmässig Sprünge über 8 Meter geglückt, innert kürzester Zeit hat er sich also eine bemerkenswerte Konstanz erarbeitet, die ihn auch in der speziellen Drucksituation eines WM-Wettkampfes nicht verliess. Obwohl: Erarbeitet ist in seinem Fall schon fast übertrieben. Trainer René Wyler, der die Pläne schreibt, sagt: «Weil die Woche häufig zu kurz ist, um zehn Disziplinen zu trainieren, verzichten wir auf das, was funktioniert: den Weitsprung.»

Simon Ehammers Bronzesprung auf 8,16 m

SRF

Im windanfälligen und unberechenbaren Stadion lagen bei Ehammer Glück und Pech nahe beieinander. «Es war cool, dass ich bereits mit dem zweiten Sprung bei 8,16 m und auf Platz zwei landete, dadurch konnte ich nachher mehr riskieren. Pech hatte ich sicher beim vierten und fünften Versuch, als ich nur ganz knapp übertrat und gut über 8,20 m sprang», sagte er achselzuckend. Nach seinem letzten Anlauf überquerte er die Bahn, um von seinem zweiten und mitgereisten Trainer Karl Wyler die Gratulationen entgegenzunehmen, «und natürlich haben wir kurz über das geredet, was zum ganz grossen Coup gefehlt hat». 

Ehammer gewann in Eugene erst die 9. WM-Medaille für die Schweiz – die nächste nach Mujinga Kambundjis Bronze 2019 in Doha über 200 m. Und speziell wertvoll: Er ist der erst zweite Schweizer Techniker nach Kugelstösser Werner Günthör, der an einer WM auf dem Podest steht. Günthör gewann seine drei WM-Titel 1987, 91 und 93. 

Der Athlet mit der aussergewöhnlichen Schnell- und Sprungkraft hat in dieser Saison ganz bewusst auf den Zehnkampf an der WM verzichtet, um in vier Wochen an der EM in München optimal vorbereitet zu sein. Da rechnet er sich mehr Chancen auf einen Spitzenplatz aus. Seine Zukunftspläne stehen aber längst fest: «Das Ziel ist ganz klar, künftig an Grossveranstaltungen den Weitsprung und Zehnkampf zu bestreiten», sagt er mit Bestimmtheit. Und mit einem schelmischen Lachen fügt er an: «Mit einer Medaille und als Nummer 1 bin ich wohl auch in der Lage, ein wenig beim Zeitplan mitreden zu dürfen, damit die beiden Starts zeitlich möglichst weit auseinander liegen.»

Mit 22 steht Ehammer noch am Anfang seiner Elite-Karriere – und ist nun doch schon Silbergewinner an der Hallen-WM im Siebenkampf und WM-Bronzegewinner im Weitsprung. Seit seiner mentalen Blockade nach einem Stabunfall seines Freundes Finley Gaio und einer Verletzung im vergangenen Jahr hat er sich nur noch gesteigert. Sein Massstab war nie die nationale Spitze, das hat er schon in Juniorenjahren kommuniziert – seine Ziele waren immer internationale

«Mein Hauptjob ist es, zu schauen, dass Simon glücklich ist und dass er smarte Entscheidungen trifft.»

Sportmanager Michael Schiendorfer

Seit rund einem Jahr ist Ehammer zu hundert Prozent Sportler, hat seine Stelle als Sportartikelhändler aufgegeben zugunsten von mehr Erholungszeit. Um einiges länger schon arbeitet er mit dem Sportmanager Michael Schiendorfer zusammen, der sagt, dass seine Hauptaufgabe darin bestehe, ihm den Rücken in Kommunikations- und Sponsoringfragen freizuhalten. «Mein Hauptjob ist es, zu schauen, dass Simon glücklich ist und dass er smarte Entscheidungen trifft.» 

Der Sprung aufs Podest: Simon Ehammer fliegt zu Bronze.

Der Sprung aufs Podest: Simon Ehammer fliegt zu Bronze.

Foto: Getty Images

Ehammer soll künftig mit Partnern zusammenarbeiten können, die wissen, dass es im Sport auch zu Rückschlägen kommen kann. «Er soll nicht unter Druck geraten, sondern seine Ziele auch in solchen Zeiten geduldig verfolgen und in Ruhe trainieren können.» Auf die Frage, was eine WM-Medaille für Auswirkungen hat, nennt er nicht einen Betrag, den es als Prämie beispielsweise seines Ausrüsters Puma natürlich gibt. Schiendorfer sagt: «Erfolg hilft, die richtigen Partner zu finden.»  

Monica Schneider ist seit 1995 Redaktorin im Ressort Sport und begleitet Leichtathleten und viele andere auf dem Weg an Olympische Spiele. Sie ist zudem als Blattmacherin für das Ressort Sport tätig.Mehr Infos
Publiziert heute um 05:15 Uhr

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