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Überschwemmung: Rhein bei Diepoldsau übergelaufen ...

Überschwemmung Rhein bei Diepoldsau übergelaufen
Am Sonntagabend ist der Rhein ins Rheinvorland geschwappt. Das zieht am Montag Schaulustige und Regierungsvertreter an. Gleichwohl ist die Situation unter Kontrolle – und entspannt sich nun.

Reportage

Der Rhein bei Diepoldsau ist überlaufen und dreimal so breit wie üblich – ist es ein Jahrhundertereignis?

Am Sonntagabend ist der Rhein ins Rheinvorland geschwappt. Das zieht am Montag Schaulustige und Regierungsvertreter an. Gleichwohl ist die Situation unter Kontrolle – und entspannt sich nun.

2000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde fliessen am Montagnachmittag unter der Rietbrücke bei Diepoldsau hindurch.
2000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde fliessen am Montagnachmittag unter der Rietbrücke bei Diepoldsau hindurch.

Bild: Arthur Gamsa/St.Galler Tagblatt

70 Meter breit ist der Rhein für gewöhnlich unter der Rietbrücke bei Diepoldsau. Am Sonntagabend ist er übergelaufen, ins Rheinvorland, eine Wiese, die als eine Art Pufferzone für ebendiese Fälle dient; wenn es tagelang regnet, wenn durch die hohe Schneefallgrenze der Niederschlag in Form von Wasser und nicht von Schnee in die Flüsse und Bäche und damit in den Rhein fliesst.

So kommt es, dass der Rhein am Montag zwischen Kriessern und dem Bodensee viel breiter ist als sonst, unter der Rietbrücke mit seinen 230 Metern fast genauso breit wie die Themse unter der Londoner Tower Bridge. Ein Ereignis, das auch Hans-Jakob Bärlocher anzieht. Der Mann hat Glück, er ergattert einen der letzten Parkplätze neben der Brücke. Eigentlich sind diese nur besetzt, wenn es Wochenende ist und warm und die Spaziergänger und Velofahrerinnen dem Rhein entlanggehen und -fahren wollen. Doch diese Wege sind nun weg. Der Rhein hat sie verschluckt. Bärlocher sagt: «Ich wollte meinem Enkel zeigen, wie viel Wasser der Rhein führt.»

Hans-Jörg Bärlocher beobachtet mit seiner Frau und seinem Enkel den Rhein.
Hans-Jörg Bärlocher beobachtet mit seiner Frau und seinem Enkel den Rhein.

Bild: Arthur Gamsa/St. Galler Tagblatt

Um 14 Uhr führt er rund 2000 Kubikmeter pro Sekunde. «Das ist, als würde jemand 8000 Badewannen pro Sekunde ausleeren», sagt Daniel Dietsche. Seit 2008 leitet er das Schweizer Team der internationalen Rheinregulierung (IRR), die dafür sorgt, dass die Dämme den Wassermassen standhalten. Und die sind an diesem Montag gross: «Das Zwanzigfache des Jahresdurchschnitts.»

Die Gefahr ist überschaubar

Dietsche ist seit Tagen im Einsatz. An diesem Montag seit sechs Uhr am Morgen in einem Bunker in Feldkirch, wo alle Drähte zusammenlaufen: die Wetterprognosen von Meteo Schweiz, die Wasserprognosen des Bundesamtes für Umwelt (Bafu), die Überprüfung der Dämme, die ständigen Lagebeurteilungen. Am Morgen mit Markus Wallner, für den die Überschwemmung Wasser auf die Rhesi-Mühle ist. Der Vorarlberger Landeshauptmann macht sich noch am selben Tag in einem Communiqué für das Milliarden-Projekt stark, das die Überschwemmungsgefahr reduzieren soll. Lautloser geht indes der Besuch von Susanne Hartmann vonstatten. Die Vorsteherin des Bau- und Umweltdepartements des Kantons St.Gallen ist am Nachmittag vor Ort – und verschickt danach keine Medienmitteilung.

Der Wind treibt in diesen Tagen die Regenwolken über das Rheintal und lässt den Rhein bei der Rietbrücke (links) überlaufen.
Der Wind treibt in diesen Tagen die Regenwolken über das Rheintal und lässt den Rhein bei der Rietbrücke (links) überlaufen.

Bild: Arthur Gamsa/St.Galler Tagblatt

Bunker und hoher Besuch, das klingt irgendwie nach Krise, nach Notfall. Aber die Situation ist an diesem Montag unter Kontrolle, Gefahrenstufe drei von fünf. Erst bei gut 3000 Kubikmetern pro Sekunde schwappt der Rhein über die Dämme an den Enden des Rheinvorlands. Sicher genug fühlt sich offenbar ein Stand-up-Paddler, der seelenruhig und mit Kopfhörer im Ohr den ungewohnt breiten Rhein erkundet.

Trotz Gefahrenstufe drei: Ein Stand-up-Paddler erforscht das überschwemmte und eigentlich gesperrte Rheinvorland.
Trotz Gefahrenstufe drei: Ein Stand-up-Paddler erforscht das überschwemmte und eigentlich gesperrte Rheinvorland.

Bild: Arthur Gamsa/St.Galler Tagblatt

Gleichzeitig postiert sich ein Rentner-Trio mit einer Kamera neben dem Fluss. «Oh, jetzt kommt wieder einer», sagt einer der Männer und zeigt auf einen Baumstamm, der vom Wasser mitgerissen wird. Das führt dazu, dass die Bodenseeschifffahrt die Verbindung Rorschach–Staad–Altenrhein–Rheineck bis und mit Dienstag unterbrechen muss. «Aufgrund von Schwemmholz», wie es auf der Website heisst.

Pech hat auch der österreichische Fussball-Erstligist SC Austria Lustenau. Dessen Trainingsplatz liegt im Rheinvorland und ist deshalb komplett überschwemmt. Für Sportchef Alexander Schneider «sehr nervig», aber nichts Neues: «Das passiert meist einmal im Jahr.» Die Mannschaft trainiert in den nächsten eineinhalb Wochen beim FC Hard, eine Autoviertelstunde von Lustenau entfernt.

Die Wassermassen sind mit teils über 15 Kilometern pro Stunde unterwegs.
Die Wassermassen sind mit teils über 15 Kilometern pro Stunde unterwegs.

Bild: Arthur Gamsa/St.Galler Tagblatt

Ist es ein Jahrhundertereignis?

Der Verkehr auf der Rietbrücke fliesst an diesem Montag langsamer als sonst. Mit seinen etwa 15 Kilometern pro Stunde ist der Rhein beinahe schneller unterwegs als die Autofahrerinnen und Autofahrer, die über die Brücke schleichen, den Rhein im Blick und nicht die Strasse, an deren Rand zwei Dutzend Menschen mit Smartphones in der Hand und Staunen im Gesicht stehen.

Ja, es ist ein Ereignis. Mit Schaulustigen, Politikerinnen und Politikern, mit umfangreicher Medienberichterstattung. Ist es aber auch ein Jahrhundertereignis?

«Nein, niemals», sagt Dietsche. Er hat solche Mengen schon «mehrfach» erlebt in seiner 15-jährigen Amtszeit bei der IRR. Das Bafu gibt ihm recht. In den vergangenen zehn Jahren ist der Rhein bei Diepoldsau viermal ins Rheinvorland übergelaufen: zweimal 2020, 2019 sowie 2016, als gar 2193 Kubikmeter pro Sekunde gemessen wurden. Die am Montag gemessenen 2000 Kubikmeter entsprechen «etwa einem Ereignis mit einer Wiederkehrperiode von zehn Jahren», wie das Bafu schreibt.

Das Hochwasser verschluckt Spazier- und Velowege und reisst viele Baumstämme mit.
Das Hochwasser verschluckt Spazier- und Velowege und reisst viele Baumstämme mit.

Bild: Arthur Gamsa/St.Galler Tagblatt

Wobei der Enkel des schaulustigen Bärlocher wohl mehr Rheinüberschwemmungen miterleben dürfte als sein Grossvater. Das Bundesamt schreibt weiter: «Infolge des Klimawandels ist generell zu erwarten, dass Wetterextreme wie längere Trockenzeiten oder Starkniederschläge – und damit auch Hochwasserereignisse – häufiger vorkommen können.»

Situation hat sich entspannt

Fürs Erste entspannt sich die Situation aber. Schon am Montagnachmittag nahm die Abflussmenge und damit auch der Wasserpegel und die Gefahrenstufe ab. Am Dienstag soll es zwar weitere Regenschauer geben, allerdings in weitaus moderaterem Rahmen. Dietsche sagt: «Wir rechnen damit, dass das Rheinvorland im Laufe des Dienstags nicht mehr unter Wasser ist.» Die dortigen Spazier- und Velowege werden anschliessend gereinigt. Die Sperre dieser Wege wird wohl auch noch am Mittwoch Bestand haben.

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