So trauert die Welt um Joseph Ratzinger
Aktualisiert31. Dezember 2022, 15:01
Der emeritierte Papst Benedikt ist an Silvester verstorben. Zahlreiche Staatschefs äussern ihre Trauer, doch auch die Kritik am ehemaligen Kirchenführer bleibt nicht aus.
Etliche Katholiken weltweit trauern um den emeritierten Papst Benedikt XVI.
In die Trauer mischt sich jedoch auch Kritik um Ratzingers Umgang mit Missbrauchsfällen während seiner Zeit als Bischof von München.
Auch seitens der Reform-Initiative «Wir sind Kirche» gibt es Kritik an Ratzinger.
Zahlreiche internationale Regierungschefs haben den emeritierten Papst Benedikt XVI – mit bürgerlichem Namen Joseph Ratzinger – nach dessen Ableben am Silvestermorgen geehrt und ihre Trauer ausgedrückt.
Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat den verstorbenen ehemaligen Papst Benedikt XVI als einen «Giganten des Glaubens und der Vernunft» bezeichnet und seinen lebenslangen Dienst an der Kirche gewürdigt. Die Geschichte werde Benedikt niemals vergessen, sagte sie am Samstag.
Der französische Staatschef Emmanuel Macron schrieb auf Twitter: «Meine Gedanken sind bei den Katholiken in Frankreich und in der ganzen Welt, die um Seine Heiligkeit Benedikt XVI trauern, der sich mit Seele und Verstand für eine brüderlichere Welt eingesetzt hat.»
Der neue britische Premierminister Rishi Sunak schrieb über Benedikt: «Er war ein grosser Theologe, dessen Besuch im Vereinigten Königreich im Jahr 2010 ein historischer Moment sowohl für Katholiken als auch für Nicht-Katholiken in unserem Land war. Meine Gedanken sind heute bei den katholischen Menschen im Vereinigten Königreich und in der ganzen Welt.»
Auch der Kreml veröffentlichte am Samstag ein Kondolenzschreiben. Darin bezeichnete der russische Präsident Wladimir Putin Ratzinger als «Verteidiger traditioneller christlicher Werte» und als «herausragende religiöse und staatliche Persönlichkeit».
Olaf Scholz ehrte den früheren Papst als «besonderen Kirchenführer» und «klugen Theologen», bezeichnete Benedikt jedoch auch als «streitbare Persönlichkeit». Das in Likes ausgedrückte Mitgefühl der Twitter-Nutzer auf den Tweets von Scholz, Sunak und Macron fällt dabei jedoch eher verhalten aus, nicht bei allen Usern ist die Rührung und Anteilnahme über das Ableben des streitbaren Benedikt allzu gross.
So weist beispielsweise der deutsche Journalist Stephan Anpalagan auf Benedikts Umgang mit dem Thema Kindesmissbrauch hin, für den er insbesondere nach seiner Zeit als Kirchenoberhaupt schwere Kritik hinnehmen musste.
In einem von der katholischen Kirche in Deutschland in Auftrag gegebenen Bericht aus dem Januar 2022 wurde Benedikt für seinen Umgang mit vier Fällen von sexuellem Missbrauch während seiner Zeit als Bischof von München in den 1970er- und 1980er-Jahren gerügt. So soll er in vier Fällen nichts gegen die des Missbrauchs beschuldigten Kleriker unternommen haben. Benedikt selbst bat noch im Februar um Vergebung für «schwere Fehler» im Umgang mit den Münchner Priestern, weist aber ein persönliches Fehlverhalten zurück.
Auch die ARD-Journalistin Marion Kuchenny weist auf die harte und konservative Linie Ratzingers in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche, die LGBTQ-Community und eine Öffnung der Kirche hin.
Die Reform-Initiative «Wir sind Kirche» bezeichnete den Verstorbenen am Samstag als widersprüchlichen Theologen, der seiner Kirche ein schweres Erbe hinterlassen habe. Er habe die katholische Kirche «über Jahrzehnte in rückwärtsgewandter Weise geprägt», teilte die Initiative am Samstag mit.
Während Joseph Ratzinger als junger Theologe die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) mitgeprägt habe, habe er sich später als ein «von Misstrauen getriebener und in Angst erstarrter Theologe» erwiesen, «der mit seinen Leitungsaufgaben überfordert war».
Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.
(DPA/fis)