Joseph Ratzinger gestorben Der glänzende Theologe schrieb mit ...
«Wir sind Papst» titelte die «Bild»-Zeitung 2005 nach der Wahl des deutschen Kardinals Joseph Ratzinger zum Papst. Die Euphorie wich bald der Ernüchterung: Progressiv war dieser Papst nur beim Rücktritt, bilanzierten manche Medien damals.
Historischer RücktrittDer Rücktritt von Papst Benedikt XVI. aus Altersgründen im Februar 2013 war in der Tat historisch. Erst sein Vorgänger Papst Johannes Paul II. hatte diese Möglichkeit im Kirchenrecht geschaffen, selbst aber hochbetagt und an Parkinson erkrankt nicht davon Gebrauch gemacht.
Bis dahin hatte gegolten: Papst ist man auf Lebzeiten. Befürchtungen, es könnte mit einem emeritierten und einem amtierenden Papst zu einer Kirchenspaltung wie im Mittelalter kommen, bewahrheiteten sich nicht.
Konservativer Glaubenshüter und ZensorJoseph Ratzinger hat ab 1951 an verschiedenen Hochschulen in Deutschland Theologie gelehrt. Am Zweiten Vatikanischen Konzil beteiligte er sich als Theologe und Berater. 1981 berief ihn Papst Johannes Paul II. zum Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre.
Als oberster Glaubenshüter der römisch-katholischen Kirche stellte er regelmässig kritische Theologen wie Eugen Drewermann in den Senkel und verfügte Strafmassnahmen gegen Befreiungstheologen in Südamerika. Reformvorhaben wie die Priesterweihe für Frauen erteilte er eine Abfuhr, Abtreibungsgesetze geisselte er als «Kultur des Todes».
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Der Papst verabschiedet sich - Stationen aus acht Jahren im Amt
11.02.2013 Mit Video
In der Ökumene trat Ratzinger auf der einen Seite für den Dialog zwischen den christlichen Kirchen ein, betonte aber auf der anderen Seite im Dokument «Dominus Jesus» im Jahr 2000 die Vorherrschaft der römisch-katholischen Kirche und sprach anderen christlichen Kirchen das wahre Kirche-Sein ab.
Acht Jahre lang regiertDer Kardinal Joseph Ratzinger träumte gegen Ende seiner Amtszeit als Präfekt der Glaubenskongregation von einer schriftstellerischen Tätigkeit und einem «ruhigen Ausklang meiner Tage». Er bat Papst Johannes Paul II. um Entlassung aus dem Amt, wurde jedoch 2005 zu dessen Nachfolger gewählt. Als Papst Benedikt XVI. hat er von 2005 bis 2013 regiert.
Mehrfach machte er dem konservativen Flügel der römisch-katholischen Kirche Zugeständnisse. Er erlaubte die Messe nach dem alten tridentinischen Ritus wieder und hob 2009 die Exkommunikation von vier Bischöfen der traditionalistischen Pius-Bruderschaft auf.
Was ihm entgangen war: Richard Williamson, einer der vier Bischöfe, war ein Holocaust-Leugner. Ein internationaler Sturm der Entrüstung war die Folge – ebenso auf die Zulassung der liturgischen Bitte, Juden zu erleuchten, «damit sie Jesus Christus erkennen, den Retter aller Menschen.»
Eklat nach Regensburger RedeEine Ansprache an der Universität Regensburg 2006 sorgte für einen weiteren Eklat. Benedikt XVI. zitierte die Aussage eines mittelalterlichen Kaisers, wonach der Prophet Mohammed nur «Schlechtes und Inhumanes» gebracht habe und empörte damit Musliminnen und Muslime weltweit.
In seinen Lehrschreiben hingegen glänzte Benedikt XVI. als geistreicher Theologe. Er erläuterte Liebe und Hoffnung aus christlicher Sicht und setzte sich für eine Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft ein.
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«Lost in transition», ein Papst tritt ab
28.02.2013 Mit Audio
In seiner Amtszeit häuften sich die Berichte von sexuellen Übergriffen von Priestern und Ordensleuten auf Frauen und Kinder. Papst Benedikt entschuldigte sich bei den Betroffenen. Seinen Worten folgten jedoch bezüglich Aufarbeitung und Prävention wenige Taten. Bereits als Präfekt der Glaubenskongregation war er für die Untersuchung der Missbrauchsfälle zuständig und soll die Aufarbeitung verzögert und weggeschaut haben.
Vatileaks-AffäreAb 2011 soll der päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele den Medien vertrauliche Dokumente zugespielt haben. Vorwürfe der Korruption, des Missmanagements und der Günstlingswirtschaft und einer homosexuellen Lobby im Vatikan standen im Raum.
Es entstand der Eindruck, dass Benedikt XVI. die Regierungsgeschäfte zunehmend entglitten waren. Benedikt XVI. ist als Papst der scheue Theoretiker geblieben, der ein wenig wie aus der Zeit gefallen wirkte. Das Etikett «Theologen-Papst» ist er zeitlebens nicht mehr losgeworden.