Pegasus löst sich auf: Die Geschichte einer Trennung
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Zwei Abgänge bei Pegasus: «Es war nicht mehr gesund», sagt der BassistWährend der Aufnahmen zum neuen Album schlitterte die Schweizer Erfolgsband in eine Krise. Die Chronik einer emotionalen Trennung in drei Kapiteln.
- Der Bassist und der Gitarrist verlassen Pegasus nach 20 Jahren.
- Die Musiker sprechen von ungesunden Mustern im Umgang miteinander.
- Ein Dokumentarfilm begleitet die unerwartete Krise der Band.
- Auf das neue Album folgt eine letzte gemeinsame Tour. Zwei Mitglieder wollen weitermachen.
Prolog: Schlaflose Nächte
Gabriel Spahni kann nicht mehr schlafen, wie immer, wenn er gestresst ist. Dann merkt er, was ihn umtreibt. «Ich habe begriffen, dass es weitergehen muss in meinem Leben. Ich muss noch ein neues Kapitel aufschlagen.»
Im Sommer 2024 teilt der Bassist von Pegasus seinen Bandkollegen mit, dass er aussteigen wird. «Es war der 8. Juli», sagt Noah Veraguth. Der Frontmann der Band erinnert sich genau. Für Veraguth und die anderen beiden Musiker in der Band kommt der Entscheid «aus dem Nichts», nach über 20 gemeinsamen Bandjahren sei es «ein Schock» gewesen.
Kapitel 1: Im Krisenmodus
Die Ansage von Gabriel Spahni, der als Mit-Songwriter und Produzent eine gewichtige Rolle bei Pegasus spielt, trifft die Band in einem heiklen Moment. Sie befindet sich zu dem Zeitpunkt auf grosser Tournee mit dem Circus Knie, als erste Band überhaupt. Ein neues Album ist fast fertig.
Doch für Spahni ist damals klar, dass er seine Weggefährten, allesamt Freunde seit gemeinsamen Kindestagen in Biel, nicht anlügen kann. «Ich musste akzeptieren, dass sich in mir etwas verändert hatte.» Das sei für ihn der schwierige Schritt gewesen.
Zwei Wochen lang herrscht Funkstille. Doch dann müssen sich die vier wieder begegnen.
Denn da sind die Zirkus-Shows, insgesamt 105 Auftritte, so viele Konzerte wie in keinem Jahr zuvor. Und zum anderen ist zu der Zeit auch ein Dokfilm für SRF in der Mache, Filmer Ivo Amarilli begleitet Pegasus über mehrere Monate hinweg. Eigentlich sollte Amarilli den Albumprozess und die Auftritte im Knie dokumentieren.
Doch dann wird er unverhofft zum Zeugen des Zerfalls von Pegasus, wie man sie kannte.
«Wie machen wir das jetzt?», fragt Frontmann Veraguth in einer Szene im Film, Minuten vor der ersten Knie-Show, nachdem Spahni seinen Austritt bekannt gegeben hat. Die Musiker sitzen vor ihrem Zirkuswagen, sie reden nicht viel. Veraguth tingelt unruhig auf und ab. Gabriel Spahni antwortet vom Klappstuhl aus: «Wir müssen uns konzentrieren.» In der Manege liefert die Band ab, 2500 Menschen im ausverkauften Zelt merken nicht, was hinter der Fassade gerade kocht.
Ein halbes Jahr lang werden sie die Geschichte für sich behalten.
Kapitel 2: Flucht nach vorn
Beim Interviewtermin mit dieser Redaktion in Zürich sitzen Noah Veraguth und Gabriel Spahni kurz vor dem Albumrelease entspannt nebeneinander. Abstand halten sie nur, weil Spahni kränkelt. Auch im Film gehen die vier Musiker über all die Monate besonnen miteinander um, trotz Verletzung und Verunsicherung bleibt der grosse Clash aus. «Für mich zeugt das von Grösse, dass wir das klären konnten», sagt Gabriel Spahni. «Meine Bedürfnisse wurden ernst genommen.»
Spahnis Entscheid zerfräst ein stabiles Gefüge, das seit 2003 bestand. Einen Monat nach dem Bassisten gibt auch Gitarrist Simon Spahr den Bandkollegen seinen Austritt bekannt. Dass im Januar das Album veröffentlicht werden und darauf eine Tour folgen soll, steht damals schon fest. Wie weiter also?
Die Band hat sich neu sortiert. «Wir mussten uns sehr schnell finden, unter grossem Druck», sagt Veraguth. «Der Zusammenhalt ist stärker geworden. Wir haben daraus Kraft geschöpft.»
Der Konsens: Bis Ende 2025 werden die vier Ur-Mitglieder weiterhin alle Konzerte zusammen bestreiten. Sie freuen sich auf diese Zeit und wollen «jede Minute geniessen», sagen Veraguth und Spahni. «Wir hoffen, dass die Fans Verständnis haben werden.» Schlagzeuger Stefan Brenner und Sänger Noah Veraguth wollen danach weitermachen, der Name Pegasus soll bleiben. So zumindest der Stand ein halbes Jahr nach dem Bruch.
Aber die Band steckt noch mitten im Prozess.
Kapitel 3: Die unguten Muster
Warum Spahni und auch Spahr aussteigen, können sie nur schwer beantworten. Was sich im Dokfilm zeigt: Alle vier Mitglieder sind der Meinung, dass in der Band über einiges nicht geredet wurde, Spannungen wurden ignoriert.
«Ich bereue, dass wir damals nicht anders miteinander umgegangen sind», sagt Noah Veraguth. Er ist der Älteste in der Band, Spahni der Jüngste. Jedes einzelne Mitglied nahm früh seinen Platz ein, und der wurde auch nicht mehr hinterfragt.
An einer Stelle im Dokfilm erzählt Veraguth, dass sie sich zu Beginn auch mal über Songideen von Gabriel Spahni lustig gemacht hätten. «Es ist auch ein Männer-Ding», sagt Veraguth. Sie hätten jung zusammengefunden, aufgewachsen in der Industriestadt Biel, Freunde geworden auf dem Fussballplatz und im Bandraum. «Wir sind toughe Typen.» Dass sie über 20 Jahre zusammen funktioniert hätten, sei an sich ein Erfolg, sagt Aussteiger Spahni.
Dass es Pegasus in der bisherigen Form nicht mehr geben wird, ist letztlich auch eine Coming-of-Age-Geschichte. Die Teenager von einst sind jetzt Mitte dreissig, da stellen sich andere Fragen. «Es war nicht mehr gesund für mich», sagt Spahni im Dokfilm. Die Band sei sein ganzes Universum gewesen, er hätte jeweils alles stehen und liegen gelassen dafür.
Freunde werden die vier bleiben. Rückblickend habe er es vielleicht doch geahnt, sagt Noah Veraguth heute. Die Songs auf dem neuen Album sind alle vor dem Bruch entstanden. Doch es geht um Herzschmerz und Aufbruch. «Ich habe wohl gespürt, dass etwas nicht mehr stimmt. Es ist eine Unruhe in den Liedern.»
«Twisted Hearts Club» heisst das siebte Album von Pegasus. Veraguth und Spahni haben es mehrheitlich zu zweit produziert, aus 1000 Songskizzen sind 13 Songs geworden. Die Musiker zeigen sich auf der Höhe ihrer Kunst, gerade mit intimen Nummern wie «As Long As You Stay Here» oder dem beachboysigen «Better Now». Daneben fehlen die gross angerichteten Pegasus-Brecher nicht. Im Wissen, dass es diese Band so nicht mehr geben wird, könnte man beim Hören durchaus wehmütig werden. (fim)
Epilog: Was bleibt?
Pegasus ist eine grosse Schweizer Band, die Musiker haben viel erreicht: Platin-Singles, die das halbe Land kennt, drei Swiss Music Awards, Konzerte im Ausland, eine Hallenstadionshow. Vier Personen konnten von dieser Musik leben. Jetzt kommt das siebte gemeinsame Album, das letzte in dieser Konstellation.
Was bleibt von Pegasus, ausser dem Namen? «Ich habe vor allem viel gelacht in all den Jahren, es hat Spass gemacht», sagt Noah Veraguth. «Es war ein einziger grosser Streich.» Gabriel Spahni nickt.
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Cookies zulassenMehr InfosDokfilm «Eine Band macht Schluss», 17. Januar, 22:15 Uhr auf SRF 2.
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