Nach 17 Monaten Haft - Schweizerin Natallia Hersche in Belarus freigelassen
- Die schweizerisch-belarussische Doppelbürgerin Natallia Hersche ist nach 17 Monaten Haft in Belarus freigelassen worden.
- Hersche war nach einer Kundgebung gegen das Lukaschenko-Regime verhaftet worden.
Nach 17 Monaten Haft sei Hersche endlich freigelassen worden, teilte Bundespräsident Ignazio Cassis auf Twitter mit. Sie sei von ihrem Bruder und der Schweizer Botschafterin Christine Honegger Zolotukhin in Minsk empfangen worden.
«Ich bin froh, dass sich die diplomatischen Bemühungen der Schweiz ausgezahlt haben», schrieb Cassis weiter. Laut dem EDA wird Hersche noch heute Freitag in die Schweiz zurückkehren.
Der Freilassung gingen «intensive und sich über fast eineinhalb Jahre erstreckende Bemühungen seitens des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und seines Vorstehers, Bundespräsident Ignazio Cassis, voraus», wie das Amt in einer Mitteilung schreibt.
Seit der Festnahme im September 2020 und der Verurteilung seien die zuständigen Stellen in engem Kontakt mit ihr, ihrer Familie und den Behörden in Belarus gewesen. Man habe an allen möglichen Wegen gearbeitet, um eine Freilassung zu erwirken.
Demnach wurde Hersche im Rahmen des konsularischen Schutzes betreut. Vertreter der Schweizer Botschaft in Minsk hätten sie 14 Mal besucht.
Bei Kundgebung gegen Lukaschenko verhaftetHersche, eine gebürtige Belarussin, die in der Schweiz lebt, hatte am 19. September 2020 in Minsk an einer Kundgebung gegen das Regime von Machthaber Alexander Lukaschenko teilgenommen und war dabei verhaftet worden.
Die Freilassung Hersches bedeutet keineswegs, dass die Opposition in Belarus jetzt mit Tauwetter rechnen kann. «Im Gegenteil: Menschenrechtler zählen derzeit die Rekordzahl von 1100 politischen Gefangenen in Belarus», weiss die SRF-Regionenexpertin Judith Huber. In letzter Zeit seien sogar Personen verhaftet worden, die sich in sozialen Medien kritisch zum Verfassungsreferendum äusserten, über welches das Volk bald abstimmen soll.
«In einem unfairen Schauprozess» – wie Schweizer Menschenrechtsorganisationen schrieben – wurde Hersche im Dezember 2020 zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die Menschenrechtsorganisation Libereco hatte nach der Festnahme Hersches eine Petition mit 9500 Unterschriften beim EDA eingereicht. Cassis wurde damals aufgefordert, sich direkt beim belarussischen Präsidenten Lukaschenko um die Freilassung zu bemühen.
Und 83 Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentarier forderten nach dem drakonischen Urteil in einem offenen Brief die Freilassung Hersches und weiterer politischer Gefangener in Belarus. Hersche habe mit der Teilnahme an einer Kundgebung lediglich ein demokratisches Recht wahrgenommen, schrieben sie.
Was hat die neue Botschafterin beigetragen?Eine Rolle könnte bei der jetzigen Freilassung Hersches die Neubesetzung des Botschafterpostens durch Honegger Zolotukhin gespielt haben, die erst seit diesem Monat in Belarus weilt.
Der Hintergrund: Honegger Zolotukhin wird dem legitimen Staatsoberhaupt von Belarus bald ihr Beglaubigungsschreiben überreichen – und das wird Lukaschenko sein. «Für viele Oppositionelle und die politischen Gefangenen ist das eine Beleidigung», sagt dazu SRF-Auslandredaktorin Judith Huber.
Für Lukaschenko dagegen kommt dies einer Anerkennung durch ein westliches Land gleich. «Er wird das entsprechend propagandistisch ausschlachten», vermutet Huber. Übrigens streitet das EDA ab, dass durch das Beglaubigungsschreiben Lukaschenko anerkannt werde. Die Schweiz anerkenne Staaten, nicht Regierungen, verlautete aus dem Departement.