NHL-Team Nashville Predators gegen SC Bern: Nostalgie und Kapitalismus
Die beiden Schweizer beim NHL-Team aus Nashville: Nino Niederreiter und Roman Josi (r.).Bild: keystone
Eismeister Zaugg
Aufatmen beim SC Bern: Eine Kür gegen Roman Josis NHL-Team statt eine weitere mühselige Pflichtübung gegen Kloten, Ajoie oder Lausanne. Aber ein Spaziergang wird es nicht: Gut möglich, dass es einige NHL-Hinterbänkler ein wenig krachen lassen.
03.10.2022, 14:0303.10.2022, 15:45
Mehr «Sport»
Ja, akkurat so wäre es gewesen, wenn vor 220 Jahren während der französischen Besatzungszeit in Bern Hockey gespielt worden wäre. Bei einem Gastspiel des weltberühmten Athletic Club de Boulogne-Billancourt, kurz ACBB Paris. Bern steht vom späten Donnerstagnachmittag bis am frühen Dienstagmorgen hockeytechnisch unter amerikanischer Besatzung. Während dieser Zeit ist der SCB nicht mehr Herr im eigenen Haus.
Statt die Freiheitsbäume der Französischen Revolution bringen die freundlichen Hockeybesatzer aus Amerika die Segnungen und Strukturen des Hockey-Kapitalismus. Die Nashville Predators gastieren in der PostFinance Arena. Die Abgesandten der National Hockey League (NHL) bestimmen und befehlen die Abläufe und Dekorationen, die SCB-Funktionäre, auch die in höheren Chargen, sind sozusagen ihre Dienstboten. Bei allen offiziellen Stellen wird Englisch gesprochen. Damit das klar ist, wird auch gleich mit Schildern darauf hingewiesen.
Das gehört nun mal dazu. Der SCB als Generalmieter hat die NHL als Untermieter zu Gast, erbringt alle Dienstleistungen inklusive Gastronomie und verdient ein wenig Geld. SCB-Präsident Marc Lüthi sagt, der Ertrag sei allerdings geringer als bei einem ausverkauften SCB-Meisterschafts-Heimspiel. «Weil wir bei unseren Heimspielen alle Einnahmen für uns behalten können.» Immerhin: Übertriebene Sicherheitsvorkehrungen sind nicht erforderlich, unsere Luftwaffe muss den Luftraum nicht überwachen.
Finanziell springt für den SCB gemäss Marc Lüthi (l.) nicht viel heraus.Bild: keystone
Der Montag ist also in Bern Hockey-Feiertag. Fast (aber nur fast) wie der Zibelemärit, der ja auch an einem Montag (am 28. November) die Stadt in Atem halten wird. Das grosse Schauspiel gegen Nashville bringt ein reichhaltiges Programm: ein bisschen Romantik, ein wenig Nostalgie, reichlich Kapitalismus und sicherlich rassiges Hockey nordamerikanischer Prägung.
Roman Josi (32) kehrt in seine Heimat zurück und spielt im Stadion seiner Kindheit gegen den SC Bern. Das ist eine gute Story auch für die mitgereisten Chronistinnen und Chronisten aus Amerika. So drehen sich ihre Fragen im Rahmen der offiziellen Medienkonferenz um Roman Josis Befinden. Er sagt, es sei ein spezieller Moment. Er sagt es nicht einfach so, weil man das so sagt. Es ist wahrlich ein spezielles Spiel. Mit seinem NHL-Team in seiner Heimatstadt vor seiner Familie, seinen Freunden gegen «seinen» SC Bern antreten: schon fast Hollywood.
Am späten Donnerstagnachmittag ist Roman Josi mit seinen Mitstreitern in Bern angekommen. Viel Zeit für Tourismus bleibt dem Team-Captain nicht. Zumal er noch einen Spezialauftrag zu erfüllen hatte: Zwischen 07.00 und 09.00 trifft er sich am Sonntag früh für ein Interview und eine Foto-Session mit unserem letztjährigen Staatsoberhaupt Guy Parmelin. Für das Interview-Magazin aus dem Hause Ringier befragen sich der Hockey-Fan Guy Parmelin und sein Idol Roman Josi gegenseitig.
Roman Josi shaking hands with Guy Parmelin, a member of the Swiss Federal Council who served as president of Switzerland in 2021. Parmelin is a hockey fan who checks NHL scores each morning. “It’s something special for Switzerland,” Parmelin said. pic.twitter.com/jNl0SycrMm
— Nick Cotsonika (@cotsonika) October 2, 2022
Eingefädelt hat die Sache Werner De Schepper, der Lebenspartner von Nationalrats-Präsidentin Irène Kälin. Die beiden seien etwas wortkarg gewesen, sagt De Schepper. Aber alles habe Hand und Fuss gehabt, was gesagt worden sei. So ist das halt, wenn sich nicht zwei «Züri-Schnuri», sondern ein geerdeter Hockeyspieler und ein im Weinbau und in der Landwirtschaft verwurzelter Bundesrat unterhalten.
Aber wir sind etwas vom Thema Hockey abgekommen. Natürlich gehört zu den Erzählungen von Roman Josi im Rahmen der nicht ganz elfminütigen Medienkonferenz die Pointe, dass sich seine Teamkollegen wundern, dass hier am Sonntag die meisten Läden geschlossen sind und Shopping schwierig ist. Sowohl er als auch sein neuer Spielkamerad Nino Niederreiter (30) vergessen nicht zu erwähnen, dass ein anderer Grosser aus Bern für sie den Weg in die NHL geebnet habe: Mark Streit (44), 2005 bei Montréal der erste Schweizer, der es in der NHL als Feldspieler zu Stammplatz und später zum Dollarmillionär bringt (Karriere-Gesamtlohnsumme etwas mehr als 40 Millionen Dollar brutto).
Der ehemalige Captain der New York Islanders ist auch bereits am Sonntag im Stadion. Natürlich wegen des Eishockeys. Klar. Das ist auch als SCB-Verwaltungsrat und Mitbesitzer seine Passion und es ist ja fast ein wenig wie ein Klassentreffen mit vielen bekannten Gesichtern. Aber er ist auch ein wenig wegen des Geschäfts da: Zusammen mit Roman Josi und ein paar Freunden hat er die Uhrenmarke NORQAIN erfunden. Ein Schweizer Chronometer in der Preisklasse von 2000 bis 5000 Franken. Hundert Prozent helvetisch: Alle Teile gefertigt im Jura hinten im Umkreis von 60 Kilometern.
Wer während der TV-Übertragung (Montag ab 19.30 Uhr live TV24 und MySports) aufmerksam hinschaut, wird die Werbung erkennen. Was kostet so ein Auftritt? «Das kann ich nicht verraten.» Mehr als eine Präsenz im Stadion während einer ganzen SCB-Saison? Mark Streit vermutet: Wahrscheinlich schon. Aber übers Geschäft reden gehört sich für einen Berner nicht. Und schon gar nicht mit einem Chronisten. Aber er sagt immerhin, man sei mit dem Verkauf in gut 30 Ländern und einer Marktpräsenz von Singapur über Zermatt bis New York zufrieden.
Ein spezieller Moment ist der Auftritt gegen Nashville auch für einen, der bescheiden im Hintergrund bleibt. Ja, der im Trubel um die Stars aus Amerika, um Roman Josi und Nino Niederreiter, kaum beachtet wird. Und doch im Hockey-Leben von Roman Josi eine wichtige Rolle spielt: Verteidiger Beat Gerber (40).
In seiner letzten Saison – ab nächstem Frühjahr wechselt er von der Kabine in die Werkstatt des SCB-Materialwartes – spielt er nun zum ersten Mal gegen Roman Josi. Im Laufe der Saison 2006/07 debütiert der spätere NHL-Captain im Alter von 16 Jahren beim SCB. An der Seite von Beat Gerber. Bis er im Sommer 2010 nach Nordamerika wechseln wird, bleibt Beat Gerber sein häufigster Partner an der blauen Linie.
«Sofort war zu erkennen, dass aus ihm ein aussergewöhnlicher Spieler werden wird.»
SCB-Legende Beat Gerber über Roman Josi
«Vom ersten Augenblick an war zu erkennen, dass aus ihm ein aussergewöhnlicher Spieler werden wird», sagt Beat Gerber über Roman Josi: «Er kam von den Junioren und hat sich sehr schnell an das höhere Niveau angepasst.» Seine Ruhe, Spielintelligenz und Scheibensicherheit seien sofort aufgefallen. Beat Gerber, der zähe Defensivkämpfer, sichert hinten ab, damit der junge Himmelsstürmer Roman Josi vorwärtsstürmen kann.
In seiner letzten SCB-Saison vor dem Wechsel nach Nordamerika (2009/10) kommt Roman Josi bereits im Alter von 19 Jahren auf 34 Punkte in 41 Spielen. «Ja, ich habe ihn gleich zum Offensivspiel ermuntert», erinnert sich Beat Gerber. «Es war ja offensichtlich, dass er dafür besser geeignet ist als ich …» Wohl wahr: Roman Josi ist längst einer der besten Offensivverteidiger der Welt, letzte Saison beispielsweise als produktivster NHL-Abwehrspieler mit sagenhaften 96 Punkten aus 80 NHL-Spielen (Beat Gerber: 48 Spiele / 7 Punkte) und geadelt mit einem Vertrag, der ihm bis zum Jahr 2028 etwas mehr als 70 Millionen Dollar brutto einbringen wird.
Spricht in höchsten Tönen über seinen ehemaligen Mitspieler: Beat Gerber.Bild: www.imago-images.de
Bleibt noch die Frage: Wie ernst werden Coaches und Spieler die Partie gegen den SCB nehmen? Es ist das letzte Vorbereitungsspiel, bevor zum NHL-Saisonstart am Freitag und Samstag in Prag die beiden ersten Qualifikationspartien gegen San José (mit Timo Meier) gespielt werden. Sébastien Bordeleau (47), zwischen 2002 und 2012 in Bern und Biel, gehört inzwischen zum Coaching-Team von Nashville. 27 Spieler sind angereist, nur 20 kommen am Freitag beim NHL-Start aufs Matchblatt. Er sagt: «Ein paar Plätze sind noch nicht vergeben.» Das bedeutet: Es wird für die Berner gegen die ersten beiden Linien mit Roman Josi und Nino Niederreiter einfacher sein als gegen die dritte und vierte Formation. Es kann schon sein, dass es einer der Hinterbänkler ein wenig krachen lässt.
Mehr Sport:
1 / 23
Schweizer Meilensteine in der NHL
Video: watson
Nach zweieinhalb Jahren gab der Besitzer des FC Luzern erstmals wieder ein Interview. Und dieses sorgte für ordentlich Zündstoff. Bernhard Alpstaeg sagte gegenüber dem Blick: «Ich bin mit der ganzen Führung nicht zufrieden. Ich muss sie alle kritisieren. Sie sind zu wenig demütig, zu wenig aktiv, zu wenig bescheiden.» Damit meinte er unter anderem Präsident Stefan Wolf und Sportchef Remo Meyer. Sie müssten lernen zu arbeiten, sagte der Unternehmer.