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Bundesrat: Markus Ritter erklärt, warum er gern das VBS ...

Bundesrat Markus Ritter erklärt warum er gern das VBS
Markus Ritter überlegt sich eine Bundesratskandidatur sehr ernsthaft. Im Interview erklärt der Bauernpräsident, warum er sich vorstellen könnte, das Verteidigungsdepartement zu übernehmen, was er von der Neutralität und den bilateralen Verträgen mi

«Ich bin es gewohnt, fast 365 Tage im Jahr zu arbeiten» – Bauernpräsident Markus Ritter sagt, warum ihn das VBS reizen würde

Markus Ritter überlegt sich eine Bundesratskandidatur sehr ernsthaft. Im Interview erklärt der Bauernpräsident, warum er sich vorstellen könnte, das Verteidigungsdepartement zu übernehmen, was er von der Neutralität und den bilateralen Verträgen mit der EU hält und warum er sich schämt, nicht richtig Italienisch zu sprechen.

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Bauernpräsident Markus Ritter auf seinem Hof hoch über dem St. Galler Rheintal.

Bauernpräsident Markus Ritter auf seinem Hof hoch über dem St. Galler Rheintal.

Bild: Niklas Thalmann

Die Anfahrt zum Hof von Markus Ritter ist steil, die Aussicht über das St.Galler Rheintal fantastisch. Der Blick in die Weite bringe ihn immer wieder auf gute Ideen, sagt Ritter, bevor er in der Stube seines 400-jährigen Bauernhauses in Altstätten einen Kaffee serviert. Am Abend zuvor hat er an diesem Tisch mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen, die vor zwei Jahren den Hof übernommen haben, über eine mögliche Bundesratskandidatur gesprochen. Zwar sind noch nicht alle Fragen geklärt, der Bauernpräsident lässt aber mehr als deutlich durchschimmern, dass ihn das Bundesratsamt reizen würde.

Herr Ritter, in der Mitte haben unzählige Favoriten für die Amherd-Nachfolge abgesagt. Sie überlegen sich eine Kandidatur sehr ernsthaft. Warum?

Es ist klar, dass die Nachfolgerin, der Nachfolger von Viola Amherd das VBS übernehmen wird. In diesem Departement gibt es viele Herausforderungen. Das ist eine spannende Aufgabe, das würde mich reizen. Und ich finde es wichtig, dass jemand von der Mitte hier Verantwortung übernimmt. Weil wir unseren Hof vor zwei Jahren unseren Söhnen übergeben konnten, würde es auch persönlich für mich und meine Familie stimmen.

Bis jetzt haben Sie sich politisch aber vor allem mit Landwirtschaft beschäftigt und kaum mit der Landesverteidigung.

Das kann in der aktuellen Situation auch ein Vorteil sein, dass ich beim VBS bisher nicht zu nahe dran war. Was mich hier qualifiziert, ist die grosse Projekterfahrung, die Führung von Organisationen. Der Bauernverband ist ein gutes Beispiel dafür. Ich habe dort die letzten zwölf Jahre sehr viel Lebensenergie reingesteckt. Das Ganze läuft heute wie eine sehr gut geölte Maschine. Im VBS würde ich versuchen, mit gleicher Energie ans Werk zu gehen. Dies würde es auch brauchen. Bis jetzt konnte ich mir ein solches Engagement ausserhalb des Bauernverbandes nicht vorstellen. Nach den vielen Absagen in der Mitte ist die Situation aber eine andere. Jemand muss jetzt Verantwortung übernehmen.

Immerhin haben Sie es in der Armee bis zum Gefreiten gebracht.

Ich habe selber Militärdienst geleistet und hatte Freude daran. Ich hätte auch weitergemacht, wenn mein Vater damals nicht vor der Pensionierung gestanden hätte und ich zu Hause den Hof übernehmen konnte.

Man sagt über Sie, dass Sie immer Gas geben – egal in welcher Funktion. Woher kommt diese Energie?

Für das Land einen Beitrag leisten, an einem der schwierigsten Orte – das ist meine grosse Motivation. Die schwierigsten Aufgaben haben mich schon immer am meisten gereizt. Bisher konnte ich immer an den Aufgaben wachsen. Das war schon so, als ich zwölf Jahre lang Präsident der Baukommission in Altstätten war. Ich habe dort unzählige, auch grosse Projekte mit meinen Kolleginnen und Kollegen zur Realisierung gebracht. Ich würde das im VBS genauso machen: Ich würde mich erst mal intensiv in die Dossiers reinknien, mich mit den Mitarbeitenden austauschen, um zu verstehen, was sie tun, die Prozesse, die Zahlen, die Abläufe kennenlernen. Persönlich will ich auch eine Armee, auf die jeder im Land stolz sein kann, die das Beste aus sich herausholt.

Schon Ueli Maurer träumte von der «besten Armee der Welt». Schwebt Ihnen Ähnliches vor?

Das weiss ich nicht, ob wir dann die beste Armee der Welt hätten. Aber eine Armee, bei der sich möglichst viele Leute gerne engagieren und stolz auf sie sind. Da muss man ansetzen.

Bundesräte sind je länger je mehr die Buhmänner der Nation. Verunglimpfungen, raue Töne in der Politik haben zugenommen. Warum würden Sie sich das antun wollen?

Das stimmt. Für mich wäre das aber keine Umstellung. Als Bauernpräsident stehe ich sehr oft im Fokus, teilweise mehr als einzelne Bundesräte. Ich bin es gewohnt, mit Kritik umzugehen, und habe auch keine Mühe damit, dass ich kritisiert werde. Wenn Kritik am Schluss zu besseren Lösungen führt, nehme ich sie gerne entgegen. Ich halte auch als Bauernpräsident nie an einer Position fest, nur weil sie von mir kommt, wenn ein besserer Weg aufgezeigt wird.

Markus Ritter beim Interview in der Stube seines fast 400-jährigen Bauernhauses.

Bild: Niklas Thalmann

Als Verteidigungsminister stünden Sie auch vor politisch heiklen Fragen: Soll die Schweiz indirekt Waffen in die Ukraine liefern können?

Die bewaffnete Neutralität ist mir wichtig, aber manchmal gibt es Situationen, in denen man diese Neutralität situativ anwenden muss. Der Ukraine-Krieg ist so eine. Für den langfristigen Erfolg der Schweiz ist es wichtig, dass man die Neutralitätsfrage nicht nur ideologisch anschaut.

Wie stehen Sie zu einer engeren Zusammenarbeit mit der Nato?

Ich bin froh, dass wir eigenständig sind. Aber eine Zusammenarbeit mit EU und Nato in gewissen Bereichen ist wichtig, allein schon aufgrund der geografischen Nähe. Die Stärke der Nato ist auch eine Stärke der Schweiz, sie bietet uns einen gewissen Schutzschild gegen mögliche Aggressoren.

Viola Amherd galt als Verfechterin des bilateralen Wegs mit der EU. Wie stehen Sie dazu?

Ich habe den Vertrag noch nicht gelesen, darum kann ich noch nichts dazu sagen.

Ist das nicht einfach eine Ausrede, weil Sie sich in dieser heiklen Frage nicht positionieren wollen? Im Grosse Ganzen ist das Ergebnis ja bekannt.

Ich handhabe das auch als Bauernpräsident so: Ich lese erst immer praktisch alles selber, bevor ich mir eine Meinung dazu bilde. Bei einem so weitreichenden Vertrag ist es gut, wenn man vorsichtig und auch kritisch ist. Verstehen Sie mich nicht falsch, die bilateralen Verträge sind wichtig für die Schweiz, aber es ist genauso wichtig, dass das Verhandlungsergebnis stimmt und dass wir keine Souveränität verlieren.

Der Kanton St. Gallen hat mit Karin Keller-Sutter bereits eine Vertreterin im Bundesrat. Ausserhalb von Zürich oder Bern gab es kaum je einen Kanton, der gleichzeitig zwei Vertreter im Bundesrat hatte. Ihre Herkunft könnte bei einer Kandidatur zum Stolperstein werden.

Wenn es eine Reihe von sehr guten Mitte-Kandidaturen gibt, würde die Kantonszugehörigkeit sicher eine gewisse Rolle spielen. Das ist im Moment noch nicht der Fall. Ich hätte mir auch kaum eine Kandidatur überlegt, wenn beispielsweise Martin Candinas oder Gerhard Pfister nicht abgesagt hätten. Der entscheidende Punkt aber ist jetzt, dass jemand, der sich das zutraut, Verantwortung übernehmen muss, für das Land, für das VBS.

Sie haben Ihre eher rudimentären Englischkenntnisse angesprochen. Würden Sie bei einer allfälligen Wahl noch einen Englisch-Crashkurs besuchen, um sich auf dem diplomatischen Parkett elegant bewegen zu können?

Sie haben Recht, es würde nicht reichen, um beispielsweise englische Fragen an einer Pressekonferenz zu beantworten. Aber ich würde mich ja auch nicht als Dolmetscher bewerben, sondern als Bundesrat und höchstwahrscheinlich VBS-Vorsteher. Apropos Sprachkenntnisse: Ich schäme mich viel mehr, dass ich mich als halb Italienisch-Stämmiger– die Familie meiner Mutter stammte von dort – auf Italienisch nur rudimentär verständigen kann. Auf Französisch dagegen bin ich es gewohnt, auch Vorträge zu halten.

Mit Ihnen würde der Block FDP-SVP im Bundesrat noch verstärkt. Sie gelten als konservativer als Viola Amherd. Glauben Sie wirklich, dass das Parlament einen fünften Vertreter dieser politischen Ausrichtung in die Regierung wählen würde?

Das sehe ich anders. Ich arbeite auch mit linken Politikerinnen und Politikern gut zusammen. In der Wirtschaftskommission beispielsweise sitze ich neben SP-Nationalrätin Jacqueline Badran. Dieser Platz ist ihr heilig. Wir haben politisch das Heu selten auf der gleichen Bühne, aber ich schätze sie als gradlinige, ehrliche Politikerin, die sagt, was sie denkt. Wenn jemand einen guten Vorschlag hat, dann ist das gerade auch in der Exekutive keine Frage von links oder rechts, sondern eine Frage der politischen Intelligenz, welche Lösung sich am Schluss durchsetzt. Da spielt die Parteizugehörigkeit weniger eine Rolle.

Die Landwirtschaft stellt nur knapp über zwei Prozent aller Beschäftigten in der Schweiz, trägt nur etwas mehr als 1 Prozent zum BIP bei. In der Politik aber sind die Bäuerinnen und Bauern massiv übervertreten. Woher kommt das?

Das ist eine interessante Frage. Die Landwirtschaft ist über das Grundeigentum von vielen Entscheiden betroffen. Darum sind viele Bäuerinnen und Bauern politisch überdurchschnittlich interessiert und vor allem auch engagiert, viele haben das in der DNA von ihren Grosseltern oder Eltern. Viele von ihnen wachsen auch über bäuerliche Organisationen in die Politik hinein. Bei mir war das auch so. Ich war beispielsweise Zuchtbuchführer, Schreiber in der Alpkorporation oder Kassier in der Käsereigenossenschaft. Ich lernte hier viele Abläufe, die mir später auch in der Politik halfen. Der Landwirt könnte nach einem langen Arbeitstag auch sagen, dass er sich jetzt ausruht, aber viele gehen noch an eine Sitzung. Das Private, der Beruf und die politische Tätigkeit verschmelzen so.

Haben Sie keine Angst, bei einer allfälligen Wahl in den Bundesrat persönliche Freiheiten aufgeben zu müssen?

Nein. Ich bin es gewohnt, fast 365 Tage im Jahr zu arbeiten. Und wer ins VBS kommt weiss, dass viel Arbeit auf ihn wartet und damit meine ich wirklich viel Arbeit und nicht einfach Kaffee trinken oder sich an Apéros zeigen. Heute beispielsweise stand ich um 5 Uhr auf, half im Stall mit, hatte um 7 Uhr die erste Online-Konferenz, danach habe ich Mails beantwortet und jetzt gebe ich dieses Interview. Ich habe auch das grosse Glück, auf eine tolle Familie zählen zu können. Gestern haben wir uns zusammengesetzt und über eine allfällige Bundesratskandidatur nochmals intensiv diskutiert. Meine Söhne meinten, ich sei auch als Bauernpräsident viel unterwegs. Da würde sich wahrscheinlich nicht so viel verändern.

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