Amherd-Nachfolge: Markus Ritter stösst viele vor den Kopf
Markus Ritter in seinem Element: Im Oktober 2024 protestierte er auf dem Bundesplatz in Bern gegen Sparpläne in der Landwirtschaft.Bild: keystone
Nach einigen Absagen für die Amherd-Nachfolge rückt Bauernpräsident Markus Ritter in den Fokus. Er scheint nicht abgeneigt, doch der Machtmensch hat im Parlament viele Gegner.
25.01.2025, 09:28
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Die Mitte-Partei hat ein Problem: Sie findet niemanden, der sich für die Nachfolge von Bundesrätin Viola Amherd bewerben will. Mehrere hoch gehandelte Namen sagten ab, darunter mit Präsident Gerhard Pfister und Nationalrat Martin Candinas die meistgenannten Favoriten. Nun aber zeigt eine illustre Person Interesse: Bauernpräsident Markus Ritter.
In einem Interview mit «CH Media» empfiehlt sich der St.Galler Nationalrat geradezu für die Amherd-Nachfolge im VBS, obwohl er wenig mit Sicherheitspolitik zu tun hatte. Bislang habe er sich eine Kandidatur nicht vorstellen können, sagte Ritter: «Nach den vielen Absagen in der Mitte ist die Situation aber eine andere. Jemand muss jetzt Verantwortung übernehmen.»
Konservativ, aber ohne Berührungsängste: Markus Ritter mit SP-Co-Präsident Cédric Wermuth.Bild: keystone
Vor einer klaren Ansage schreckt er (noch) zurück. Auf den ersten Blick erstaunt Markus Ritters Bundesrats-Flirt, denn er ist schon einer der mächtigsten Politiker des Landes. Im Parlament gibt es keinen schlaueren Lobbyisten. Legendär bis gefürchtet ist seine Fähigkeit, immer mehr Geld für die abnehmende Zahl der Bäuerinnen und Bauern herauszuholen.
Zeit für einen Neustart?
Hinzu kommt ein virtuoser Umgang mit den Medien. Warum also soll sich Ritter in das Korsett eines Bundesratsamts zwängen lassen? Bei genauer Betrachtung macht die Idee jedoch Sinn. Der Rheintaler Biolandwirt ist seit zwölf Jahren Präsident des Schweizerischen Bauernverbands, und mit 57 ist er im idealen Alter für einen Neustart.
«Für das Land einen Beitrag leisten, an einem der schwierigsten Orte – das ist meine grosse Motivation», sagt Ritter im «CH Media»-Interview. Ihm kauft man eine solche Aussage ab. Wenn er tatsächlich antreten sollte, ist ihm ein Platz auf dem Mitte-Ticket nahezu sicher. Doch seine Wahlchancen sind nicht so gut, wie man oberflächlich betrachtet meinen könnte.
Kilian Baumanns Rauswurf
Von SP, Grünen und Grünliberalen kann er nichts erwarten. Sie gehören zu den grössten Kritikern der bäuerlichen «Subventionitis». Auch ist Ritter immer wieder mit Umweltverbänden ins Gehege geraten, bei Themen wie Biodiversität, Pestiziden oder Wolfsabschüssen. Für Unmut sorgte sein rüder Umgang mit dem Berner Grünen-Nationalrat Kilian Baumann.
Er setzt sich für eine umweltverträgliche Landwirtschaft ein und ist Ritters «Intimfeind» im Parlament. Nach den Wahlen 2023 wurde er deshalb aus der Konferenz der bäuerlichen Parlamentarier geworfen, obwohl Baumann im Gegensatz zu anderen Vertretern ein «echter» (Bio-)Bauer ist (eine Mitgliederliste gibt es nicht, wer reinkommt, bestimmt Markus Ritter).
Freisinnige machen Faust im Sack
Besser sieht es für einen potenziellen Bundesrat Ritter im rechten Lager aus. Er vertritt wertkonservative Positionen und ist EU-skeptisch, womit ihm die Stimmen der SVP wohl sicher wären. Aus der eigenen Mitte-Fraktion dürfte er mindestens die Hälfte hinter sich haben. Doch er braucht auch Freisinnige, und die ärgern sich oft über sein «Bauerplay».
Ihr einst starker bäuerlicher Flügel hat sich weitgehend verflüchtigt, Richtung SVP. Viele (Wirtschafts-) Freisinnige machen die Faust im Sack, wenn sie der volkswirtschaftlich eher unbedeutenden Landwirtschaft immer neue Gelder zuschanzen müssen. Wie sollen sie unter diesen Umständen Subventionen für Klima- oder Energieprojekte bekämpfen?
Geld für Weinwerbung
In der letzten Wintersession lehnte das Parlament die vom Bundesrat geplanten Kürzungen bei der Landwirtschaft nicht nur ab. Im (Spar-)Budget 2025 wurden die Direktzahlungen sogar aufgestockt. Fast schon berüchtigt sind die jährlich neun Millionen Franken, mit denen der schwächelnde Konsum von Schweizer Weinen angekurbelt werden soll.
Die Mitglieder der «Geld und Gülle»-Allianz im August 2022 vor den Medien.Bild: keystone
Doch die FDP hat kaum eine andere Wahl, denn ohne die rund 40 National- und Ständeräte mit bäuerlichem Background bringt sie bürgerliche Anliegen nicht durch. Aus diesem Grund haben Economiesuisse sowie Arbeitgeber und Gewerbe mit dem Bauernverband die ominöse «Geld und Gülle»-Allianz gebildet. Profitiert davon haben bislang vor allem Ritters Leute.
Baume-Schneider als Handicap
Und da wäre noch die Causa Elisabeth Baume-Schneider. Längst sind viele Bürgerliche von der SP-Bundesrätin aus dem Jura enttäuscht. Sie kreiden ihr an, im letzten Jahr zu wenig gegen die Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente gekämpft zu haben. Auch bei der von Mitte-rechts im Parlament geprägten BVG-Reform leistete sie «Dienst nach Vorschrift».
Hinter vorgehaltener Hand hiess es, Baume-Schneiders Wahl sei ein Fehler gewesen. Hier kommen die Bauern ins Spiel. Deren Herzen hatte die Jurassierin im Sturm erobert, mit ihrer warmherzigen Art und ihren Schwarznasenschafen. Ihr Image als Leichtgewicht war für Markus Ritter zweitrangig: «Die Bundesratswahl ist keine Kompetenzwahl.»
Noch jemand wie Keller-Sutter?
Es ist eine bemerkenswerte Aussage. Tatsächlich würde die Schweiz wohl ohne Regierung funktionieren, und für Elisabeth Baume-Schneiders Erfolg kann man nicht einfach die Bauern verantwortlich machen. Einige Gründe führten dazu, etwa die Fehler von Gegenkandidatin Eva Herzog und die Abneigung gegen eine starke SP-Figur im Bundesrat.
Das aber lässt sich generell auf Machtmenschen übertragen, und damit auf einen Politiker wie Markus Ritter. Und noch eine starke Persönlichkeit aus dem gleichen Kanton wie Karin Keller-Sutter in der Landesregierung? Das dürfte für manche in der Bundesversammlung zu viel sein. Und die Bundesratswahl wird bekanntlich geheim durchgeführt.
Es droht ein Fünferblock
Noch ist offen, ob Markus Ritter seinen Hut in den Ring wirft, doch nach den Aussagen im Interview wäre ein Rückzieher irritierend. Fragt sich, wer noch antreten wird. Die Luzerner Ständerätin Andrea Gmür und der Walliser Staatsrat und Ex-CVP-Präsident Christophe Darbellay liebäugeln damit, und die Meldefrist läuft noch bis zum 3. Februar.
Markus Ritter im Bundesrat? Es ist eine seltsame, aber auch spannende Vorstellung. Es besteht die Gefahr eines weiteren Rechtsrutschs und eines bürgerlichen «Fünferblocks». Bis es dazu kommt, wäre sein «Bauerplay» mehr noch als beim Geldverteilen gefordert.
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quelle: ti-press / ely riva
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