Pablo Larraíns Film „Maria“ über die letzten Tage der Callas
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Maria Callas hatte eine Stimme wie niemand sonst im 20. Jahrhundert; sie sang die Opern des 19. Jahrhunderts in Interpretationen für die Ewigkeit. Ihre Zeitalter kam ihr dabei zu Hilfe. Sie war ein Star in der Ära der Schallplatten. Ihre Stimme lebt mit dem Knistern des Vinyls, und an manchen Stellen könnte man meinen, die Nadel, die den Ton abnimmt, durchpflüge die Diva selbst, so schmerzhaft ist ihr Gesang. Die Aufnahmen machten ihr zu schaffen. Denn nun war ein für alle Mal in der Welt, zu welchen Höhen sie sich mit den Arien einmal aufgeschwungen hatte. „O mio babbino caro“ oder „Vogliatemi bene“ kennt man in vielen Versionen, doch selbst Laien bemerken manchmal den Unterschied, den die Stimme der Callas machte. Sie selbst sah sich von den Schallplatten verfolgt, denn dort war die Perfektion. Und diese Perfektion lag irgendwann in der Vergangenheit.
Pablo Larraín erzählt in „Maria“ von der letzten Woche der Diva. Sie hat noch wenige Tage zu leben, und das Ende nimmt der Film gleich zu Beginn vorweg: Maria Callas auf dem Boden ihrer Wohnung in Paris, zusammengebrochen neben dem Klavier, ein einsamer Tod, weil die Haushälterin Bruna und ihr Faktotum Ferruccio gerade nicht da sind. Dann springt Larraín – er folgt dabei einem Drehbuch von Steven Knight –eine Woche zurück. Und nimmt das Publikum hinein in das Drama einer Frau, die zwar immer noch eine Stimme hat, die aber nicht mehr das Instrument ist, das die Welt in ihren Bann schlug.
Eine Autobiographie „unter Einfluss“
Maria Callas möchte es in „Maria“ noch einmal wissen. Sie trifft sich in einem Theater mit einem Pianisten, sie setzt noch einmal an zu den Höheschwüngen des Soprans, der sie einmal war. Doch für diese Gesangskunst braucht es Kraft, und die hat sie nicht mehr. Sie ist, genau genommen, sterbenskrank, am Leben hält sie sich mit einem Tablettencocktail, der umso gefährlicher ist, als er auf einem Versteckspiel mit ihren beiden Hausgeistern beruht. Maria legt Depots an in ihren Kleidern, in ihren Schränken. Ferruccio sammelt alles wieder ein, was er findet. Den Rest wirft sie ein.
Vor allem Mandrax, ein Mittel „für Erwachsene“, ein Sedativum, das den Schmerz betäubt, dafür auf die Leber geht. Mandrax wird für Steven Knight zu einem dramaturgischen Kniff, denn so nennt er auch einen jungen Journalisten, der mit einem Kameramann zur Callas kommt, um ein Interview mit ihr zu drehen. Ein Gespräch, das ihr Gelegenheit gibt, auf ihr Leben zurückzublicken, und das Larraín Gelegenheit gibt, wichtige Stationen des Wegs von Maria Callas zu rekapitulieren. Eine Autobiographie „unter Einfluss“ – denn natürlich verzerrt Mandrax die Perspektive, worüber „Maria“ allerdings elegant hinweggeht.
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Larraín möchte die Momente der Souveränität finden, die es einmal gab. Die Momente der Perfektion, nicht nur auf der Bühne, sondern auch auf der Welt, die Maria Callas für einige Jahrzehnte zu Füßen lag. Die Momente, in denen sie sich lösen konnte von den Geistern ihrer Familiengeschichte, von der hartherzigen Mutter vor allem. Maria Callas war eine schöne Frau, und Pasolini wusste genau, was er wollte, als er 1969 in seiner Deutung des Mythos von der Medea die Hauptrolle mit ihr besetzte: eine mythisch ferne, zugleich emotional ungeheuer nahe Frau, eine fremde Göttin, die den ganzen Identifikationsraum des Abendlandes durchquert.
Die Tücken des Älterwerdens
In „Maria“ treffen somit auch zwei Schönheiten aufeinander. Denn Larraín wählte für seine Hauptrolle Angelina Jolie, in den letzten zwanzig Jahren eine der prägenden Frauen in Hollywood. Auch Angelina Jolie hatte ihre Momente der Perfektion, in denen sie dem Zeitgeist eine maßgebliche Gestalt gab – als Actionheldin Lara Croft, im Agenten-Spaß „Mr. & Mrs. Smith“ an der Seite ihres damaligen Ehemannes Brad Pitt und schließlich, schon als programmatische Einzelkämpferin, in dem Action-Thriller „Salt“.
Während Tom Cruise aber in höherem Alter munter von einer „Mission Impossible“ zur nächsten jagt und Brad Pitt nicht ganz weiß, ob er eher ironisch auf ewige Jugend spekulieren oder doch verstärkt auf die Gravitas der höheren Künste hoffen soll, muss Angelina Jolie sich mit den Tücken des Älterwerdens ganz konkret auseinandersetzen. Sie tut das mit eigenen Regie-Arbeiten wie „Unbroken“ (2014) und „Without Blood“ (2024) und mit Rollen wie der Maria Callas, in denen sie ihre eigenen Anliegen spiegeln kann. Es ist das Anliegen aller großen Figuren, die an einem Punkt auf ihrem Weg die Ewigkeit berührt haben und die danach weitermachen müssen. Norma Desmond, die Figur aus Billy Wilders „Sunset Boulevard“, oder Greta Garbo zogen sich irgendwann radikal zurück. Für Angelina Jolie besteht zu einem solchen Entschluss kein Anlass. Am Beispiel von Maria Callas probiert sie aber aus, was das bedeuten könnte.
Eine inoffiziele Trilogie
Für Pablo Larraín gehört „Maria“ in eine Reihe mit „Jackie“ und „Spencer“, seinen zwei früheren Filmen über Frauen des 20. Jahrhunderts. Zu Jacqueline Bouvier, spätere Jackie Kennedy, spätere Jacqueline Onassis, gibt es sogar eine direkte Verbindung, denn auch Maria Callas war einige Jahre mit dem griechischen Reeder und Magnaten Aristoteles Onassis liiert. Und Lady Diana Spencer, Princess of Wales durch ihre vorübergehende Ehe mit dem heutigen britischen König Charles, teilt mit Jackie und Maria das Bedürfnis nach einer Autonomie, in der sie mehr sein darf als die Frau an der Seite eines „großen Mannes“. Allerdings sind die Männer in „Maria“ im Grunde nebensächlich. Denn anders als in den ersten beiden Filmen der inoffiziellen Trilogie geht es um die Frage, ob es neben der Kunst ein Leben geben kann, gar ein gelingendes, glückliches. „Maria“ passt thematisch also nicht ganz in diese Reihe – sieht man von dem doch sehr allgemeinen Umstand ab, dass es in allen drei Fällen um Weltstars geht, bei denen Larraín uns für einen gewissen Zeitraum hinter die Kulissen blicken lässt.
„Das Glück hat niemals eine Melodie geschaffen“, sagt Maria an einer Stelle. Ihre Einsamkeit, ihr Unglück sind Aspekte des einen Verlusts, den sie nie verwinden wird: den ihrer Stimme. Steven Knight und Pablo Larraín zeigen sie auch in dem Moment, in dem Marilyn Monroe für John F. Kennedy ein Ständchen singt – musikalisch kein großer Moment, in Sachen Aura aber ein historisches Ereignis. Onassis ist grausam genug, den Unterschied noch zu formulieren: In einem Fall sieht man einen Körper, im anderen Fall, dem der Diva, hört man eine Stimme.
Dass beides zusammengehört, weiß „Maria“ zwar. Doch bekommt der Film das thematisch nie wirklich in den Griff. Fast alles, was Knight und Larraín erzählen, ist zu offensichtlich. Dazu kommt, als Komplikation, dass Angelina Jolie für diesen Stoff natürlich nicht satisfaktionsfähig singen kann – anders als, aktuelles Beispiel, Timothée Chalamet, der in „A Complete Unknown“ zwar nicht genauso singt wie Bob Dylan, aber dessen rätselhaft unanfechtbares Organ sehr gut hinbekommt. Doch Jolie kann nicht einmal so singen wie die Callas, als sie nicht mehr so singen konnte, wie sie einmal gesungen hatte.
So tappt „Maria“ ein wenig unbeholfen durch die Zeiten, lässt Maria Callas in Sentenzen sprechen („there is no reason in opera“) und kann sich nicht entscheiden, in welche Richtung dieses dann doch recht konventionelle Dementi eines klassischen Biopics gehen soll. „Jackie“ und „Spencer“ waren letztlich Reflexionen auf eine Öffentlichkeit, die ihre Verkörperungen – Frauen nicht aus dem Volk, aber auch nicht aus den Dynastien – zugleich überhöht und zerstört. Frauen, die einen markanten Übergang wagten in einen Bereich, der sich ihnen nicht gewachsen zeigte. Auf einer sehr allgemeinen Ebene bleibt von diesem Bereich in „Maria“ nur die Welt der schwerreichen Männer. Onassis stellt sich hier mit den Worten vor: „Ich weiß, ich bin hässlich, aber ich bin reich.“ Dass daraus so etwas wie Liebe werden konnte, muss man unserer Gegenwart neu erklären. Pablo Larraín scheitert darin, und damit bleibt ihm als letzter Anker für das Gewicht seines Films nur die Stimme von Maria Callas. Und damit eine Instanz, vor der auch Angelina Jolie nichts weiter sein kann als ein besseres Grammophon.