Aufregerthemen Schliessen

China: Li Keqiang galt als Gegenentwurf zu Xi Jinping

China Li Keqiang galt als Gegenentwurf zu Xi Jinping
Der frühere Ministerpräsident stirbt nach offiziellen Angaben mit 68 Jahren an einem Herzinfarkt. Er war liberal und reformwillig. Politisch ist sein Tod eine sensible Nachricht.
Er galt als Gegenentwurf zu Xi Jinping Der frühere Ministerpräsident stirbt nach offiziellen Angaben mit 68 Jahren an einem Herzinfarkt. Er war liberal und reformwillig. Politisch ist sein Tod eine sensible Nachricht.

Lea Sahay aus Peking

Publiziert heute um 11:24 Uhr
Gruppenbild mit Jodlerchor in Embrach: Minister Li Keqiang bei einem Besuch in der Schweiz im Mai 2013.

Gruppenbild mit Jodlerchor in Embrach: Minister Li Keqiang bei einem Besuch in der Schweiz im Mai 2013.

Foto: Keystone

Das letzte Mal, dass die meisten Chinesen den früheren Ministerpräsidenten Li Keqiang sahen, war wohl im Oktober 2022. Vor aller Augen wurde Ex-Präsident Hu Jintao offenbar gegen seinen Willen von Sicherheitsleuten aus dem Plenarsaal bei Chinas wichtigster Parteitagung geführt.

Im Vorbeigehen klopfte er dem rechts neben Xi Jinping sitzenden Li Keqiang – seinem Schützling – auf die Schulter. In den 1980er-Jahren hatte Li in der Kommunistischen Jugendliga unter seinem späteren Förderer Hu gearbeitet. Nun konnte er diesem nur machtlos hinterherschauen.

Peking dürfte die Reaktionen auf seinen Tod genau verfolgen.

Bei der Frage, wer China von 2012 an führen sollte, hatten sich Li Keqiang und Xi Jinping Anfang der 2000er-Jahre noch als Konkurrenten gegenübergestanden. Beide besassen die Rückendeckung grosser Fraktionen in der Partei, verfolgten aber sehr unterschiedliche Visionen für die Zukunft des Landes. Li galt als liberal, wirtschaftsfreundlich und reformwillig, Xi stellte hingegen Politik und Ideologie über alles.

Am Ende riss Xi Jinping alle Macht an sich. Li Keqiang blieb in seinem Schatten. Heute nun starb Li im Alter von 68 Jahren nach einem Herzinfarkt in Shanghai. Das berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. In China, wo der Tod wichtiger Staatsmänner immer wieder Proteste gegen die Staatsführung auslöste, dürfte Peking die Reaktionen auf seinen Tod genau verfolgen.

Politische Rivalen: Li Keqiang und Xi Jinping bei einer 100-Jahr-Feier der Kommunistischen Partei Chinas in Peking im Juli 2021.

Politische Rivalen: Li Keqiang und Xi Jinping bei einer 100-Jahr-Feier der Kommunistischen Partei Chinas in Peking im Juli 2021.

Foto: Keystone

Li Keqiang, 1955 geboren, hatte sich in seiner frühen Laufbahn vor allem durch Leistung hervorgetan. Als Sohn eines kleinen Funktionärs war der Junge während der Kulturrevolution wie Millionen andere Kinder aufs Land verschickt worden, um dort auf den Feldern zu arbeiten.

Als Universitäten nach jahrelangem Chaos wieder öffneten, ergatterte Li einen der wenigen Studienplätze an der elitären Peking-Universität. Er studierte Jura und trat in die Kommunistische Jugendliga ein. Später promovierte er in Wirtschaftswissenschaft.

In zwei der ärmsten Provinzen des Landes übernahm er zu Beginn seiner politischen Karriere führende Positionen. Wirtschaftlich konnte er diese zwar stabilisieren, gleichzeitig kämpfte er immer wieder mit grossen Katastrophen. Darunter den Folgen einer fürchterlichen Ausbreitung von Aids durch kontaminierte medizinische Geräte.

Anstelle von akademischen Erfolgen besass Konkurrent Xi Jinping vor allem die Unterstützung der «Shanghai-Fraktion» um Hus mächtigen Vorgänger Jiang Zemin, bekannt war er durch seine Sänger-Ehefrau. Anders als sein Rivale war Xi aber ein «Prinzling», sein Vater gehörte zur ersten Generation der kommunistischen Revolutionäre.

In den Augen anderer Angehöriger der «roten Aristokratie» war Li also ein Aussenstehender ohne Rang, unwürdig, die Nation zu führen, und kaum verlässlich, wenn es darum ging, den absoluten Machtanspruch der Partei notfalls mit Gewalt durchzusetzen.

Mit dem Abgang von Li und Hu endet Chinas «kollektives» Führungsmodell.

Die Zweifel an Li hatten auch mit seiner Zeit als Student zu tun. Während er mehrere führende Ämter in Studentenverbänden der Partei innehatte, entstand an seiner Universität die Keimzelle der demokratischen Studentenproteste.

Der Student kannte einige der späteren Dissidenten, die 1989 an den Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens teilnahmen. Als Sekretär der KP-Jugendliga an der Peking-Universität distanzierte sich Li später von den Studierenden, da hatte die Parteiführung seine früheren Kommilitonen schon mit Panzern totgefahren.

Auch der Politiker Li hatte zwischenzeitlich Forderungen nach demokratischen Wahlen auf lokaler Ebene gestellt – was ihm manche in der Kommunistischen Partei nie verziehen. Und so hatte Li in der Rivalität mit Xi schliesslich das Nachsehen. Er musste sich mit dem Posten des Ministerpräsidenten zufriedengeben, in China die Nummer zwei nach dem Präsidenten.

Von Xi in die Bedeutungslosigkeit gedrängt

Wäre ein anderes China mit Li an der Spitze möglich gewesen? Es ist eine Frage, die offiziell niemals im Land diskutiert werden dürfte. Und dennoch erinnerten die letzten Szenen von Li Keqiang in der Öffentlichkeit beim Parteitag 2022 an eine Tatsache: Mit der Abführung von Ex-Präsident Hu Jintao endete auch Chinas «kollektives» Führungsmodell, in dem Vertreter verschiedener Fraktionen der Partei und mit Amtszeitbegrenzungen gemeinsam regierten.

Xi machte sich nach seinem Amtsantritt zum Vorsitzenden aller relevanten Entscheidungsgremien und drängte Li Keqiang in die Bedeutungslosigkeit. Auch wenn er im Ausland bekannt war, unter anderem durch viele Medienkonferenzen mit Angela Merkel. Hus Hand auf der Schulter seines Schützlings war eine Geste, auch ein Zeichen der Trauer. Trauer über eine Zukunft Chinas, die nie kommen würde.

Xi Jinpings China

Fehler gefunden?Jetzt melden.

0 Kommentare

Ähnliche Shots
  • Li Keqiang passed away
Nachrichtenarchiv
  • WhatsApp Web
    WhatsApp Web
    WhatsApp: Web-Version offenbar von Störung betroffen
    5 Jun 2023
    1
  • Gregory Knie
    Gregory Knie
    Gregory Knie hat sich mit Céline Victor verlobt
    8 Dez 2023
    2
  • Death Stranding
    Death Stranding
    Death Stranding: Spiel ist gerade kostenlos zu haben
    26 Dez 2022
    1
  • Mike Maignan
    Mike Maignan
    Equipe de France: la réponse pleine d'ironie de Maignan au sujet ...
    25 Mär 2023
    4
Die meist populären Shots dieser Woche