Aufregerthemen Schliessen

Depp vs. Heard: Prozess mit gefährlichen Folgen

Depp vs Heard Prozess mit gefährlichen Folgen
Im Prozess wegen übler Nachrede, den Hollywood-Star Johnny Depp gegen seine Ex-Frau und Schauspielerkollegin Amber Heard angestrebt hat, müssen nun die Geschworenen entscheiden. Schon jetzt aber warnen viele Fachleute vor gefährlichen Folgen dieses Ger

Der Prozess ist wohl das größte Spektakel, das Hollywood abseits der Leinwand in den letzten Jahren „produziert“ hat. Der Prozess wurde im TV live übertragen und sorgte für gewaltige Einschaltquoten. Er entfaltete eine Sogwirkung, die mehrfach mit jener des Prozesses gegen Ex-Football-Star und Schauspieler O. J. Simpson verglichen wurde.

Simpson war 1994 des Mordes an seiner Frau Nicole Brown Simpson und deren Bekannten Ronald Goldman angeklagt worden. Er wurde in einem umstrittenen Strafprozess freigesprochen, in einem anschließenden Zivilverfahren aber zu Schadenersatz in Höhe von 33 Mio. Dollar an die Hinterbliebenen verurteilt.

Es habe einfach einen großen Suchtfaktor, wenn mit Depp einer der bekanntesten Hollywood-Stars ausführlich seinen Drogen- und Alkoholkonsum beschreibe, wie etwa die „Financial Times“-Journalistin Jo Ellison einräumte.

Richterin Penney Azcarate Reuters/Steve Helber
Richterin Penney Azcarate erinnert die sieben Geschworenen daran, dass sie zu einem einstimmigen Schluss kommen müssen
Videos, Lügen und Memes

Vor allem aber ist es ein Prozess, der in sozialen Netzwerken quasi ein zweites Mal und in ungleich härterer Form und ohne Regeln als Vorverurteilungswettkampf abläuft. Längst gehört es auch zur Strategie der Involvierten, die Meinungsbildung dort mit der Arbeit eigener Social-Media-Teams zu beeinflussen. Nicht zuletzt ist es aber für viele im Netz die ideale Gelegenheit für schnelle und viele Klicks. Viele sind Trittbrettfahrer des Prozesses, denn jedes Posting mit einem – oft abschätzigen bis gehässigen – Hashtag oder Verweis auf den Depp-Heard-Prozess erreicht unverhältnismäßig viel Aufmerksamkeit, verstärkt durch die auf Klicks und Verbreitung getrimmten Algorithmen der Plattformen.

Es ist somit selten einfach und billig, Aufmerksamkeit und Follower zu gewinnen und mit Heard-Depp-Memes – via Werbung – Geld zu verdienen. Das ist gleichermaßen für jene verlockend, die bereits eine größere Gefolgschaft im Netz haben, wie für jene, die nur wenige Follower haben.

Anstandsloser Wettlauf

Auf YouTube, Instagram, Twitter und Facebook, vor allem aber auf TikTok gibt es Millionen solcher Memes, die sich über Auftritt und Posen bis zur Frisur vor allem von Heard lustig machen, die Richtigkeit ihrer Aussagen infrage stellen und so – mehr gewollt als ungewollt – Heards Glaubwürdigkeit untergraben. Dem rasanten Rennen um Aufmerksamkeit fallen dabei oft selbst grundlegende Formen von Anstand zum Opfer.

Smartphones werden hochgehalten

Debatte

Depp vs. Heard: Wie gefährlich ist der Einfluss sozialer Medien?

Der Prozess ist nicht zuletzt ein gefundenes Fressen für Internettrolle der frauenfeindlichen Art, die sich von Depp inspiriert fühlen. Die „Koalition“ der Depp-Unterstützer umfasse Anhänger der frauenfeindlichen Männerrechtsbewegung und von Verschwörungstheorien, so die „New York Times“.

Eine Studie von 2014, so das Medienmagazin „On the Media“ des Radiosenders NPR, habe gezeigt, dass sexistischer Humor und Verharmlosung von häuslicher Gewalt in Medien genau diese in der breiten Gesellschaft akzeptabler machen. Ähnliches gilt wohl auch für soziale Netzwerke. Ganz unabhängig davon, wie der Prozess ausgeht, warnen Expertinnen und Experten daher eindringlich vor den drohenden Folgen für Missbrauchsopfer.

Expertin: Mittel, um Opfer zum Schweigen zu bringen

Die Juristin Teresa Drake warnte zuletzt gegenüber PBS davor, dass es in solchen Verfahren darum gehe, Missbrauchsopfer zum Schweigen zu bringen. Drake verwies darauf, dass Heard in ihrem Kommentar in der „Washington Post“ Depp nie namentlich erwähnte und er sie trotzdem auf Verunglimpfung und Schadenersatz klagte.

Juristisch müsse Depp nun eigentlich glasklar nachweisen, dass Heards Kommentar und nur dieser für Depps Karriereeinbruch verantwortlich sei. Der Prozess habe sich aber auf die gegenseitigen Vorwürfe von physischer und psychischer Gewalt konzentriert, nicht darauf, ob Heard Depp verleumdet habe, so Drake.

„Neues Instrument im Revolvergürtel“

Seit Start des Prozesses habe sich eine ehemalige Klientin und Opfer von häuslicher Gewalt an sie gewandt. Der Täter werfe seiner Ex-Frau nun vor, für sein Karriereende verantwortlich zu sein, und habe ein Verfahren wegen übler Nachrede gegen sie angestrengt. „Das werden wir öfters sehen. Es ist die Taktik von Tätern, die die Mittel und Energie haben, juristisch gegen ein Opfer vorzugehen.“

Täter, so Drake, würden sich jetzt sagen: „Hey, das ist ein großartiges neues Instrument in deinem Revolvergürtel.“ Davon ist auch die Juristin Christine Scartz überzeugt: „Ich versichere Ihnen, in der Bevölkerungsgruppe, mit der ich arbeite, sagen Täter ihren Opfern gerade: ‚Ich werde dir einen Depp anhängen. Wenn du etwas sagst, klage ich dich‘“, so Scartz. Das sei ein Macht- und Kontrollinstrument, „das jetzt einen Namen hat“.

„Eisiger Effekt“

Die Darstellung und Beschreibung häuslicher Gewalt werde durch die Millionen Memes und Milliarden an Abrufen normalisiert, warnte die Leiterin der Nationalen Koalition gegen häusliche Gewalt, Ruth M. Glenn, gegenüber NBC News. Für Opfer häuslicher Gewalt werde das wohl „einen eisigen Effekt“ haben, und nach einem Aufbruch durch die „#MeToo“-Bewegung würden sich künftig wohl viele wieder nicht mehr trauen, mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen.

Twahna Harris von The Butterfly Society – der Verein hilft Opfern häuslicher Gewalt in Baton Rouge in Louisiana – bestätigte das: „Du wirst wieder zum Opfer gemacht. Du bist offensichtlich nicht vertrauenswürdig … es macht dich verrückt und wütend. Wenn man es nicht selbst durchlebt hat, kann man das nicht verstehen“, so Harris, die selbst mehrere Jahre Opfer häuslicher Gewalt war.

Schauspieler Johnny Depp und seine Ex-Frau Amber Heard im Gerichtssaal AP/Steve Helber
In sozialen Netzwerken ist Depp bereits der Sieger
Klage, Gegenklage und davor eine Niederlage

In seiner Zivilklage beschuldigt Depp die Schauspielerin und Ex-Ehefrau, in einem 2018 von der „Washington Post“ veröffentlichten Kommentar zum Thema häusliche Gewalt falsche Aussagen gemacht zu haben, obwohl darin sein Name nie erwähnt ist. Das hätte seinem Ruf geschadet. Wegen Verleumdung verlangt Depp 50 Millionen Dollar (gut 46 Mio. Euro) Schadenersatz. Heard pocht in einer Gegenklage auf 100 Millionen Dollar. Sie macht geltend, dass Depps Ex-Anwalt Adam Waldman mit einer Schmutzkampagne ihrem Ansehen geschadet habe.

Vor zwei Jahren hatte Depp in London mit einer Klage gegen die Boulevardzeitung „Sun“ eine Niederlage erlitten. Es ging um einen Artikel, in dem behauptet wurde, Depp habe als Frauenschläger („wife beater“) Heard körperlich misshandelt. Nach einem Prozess mit heftigen Vorwürfen wies der High Court die Klage am Ende ab.

Nachrichtenarchiv
Die meist populären Shots dieser Woche