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Helmut Newton: Meister des gediegenen Fetischismus - news

Helmut Newton Meister des gediegenen Fetischismus  news
Heute vor hundert Jahren wurde mit Helmut Neustädter, bekannt als Helmut Newton, einer der erfolgreichsten Modefotografen des 20. Jahrhunderts geboren. Newton selbst sah seine Frauenfiguren als triumphierend und stark, dennoch wurde er als sexistisch und

Schwarze Haut glänzte ölig am Magazincover. Splitterfasernackt war die Sängerin Grace Jones 1978 auf der Titelseite des „Stern“ zu sehen. Dabei hielt sie ein Mikro und lächelte lasziv in die Kamera, während ihre Füße in Ketten lagen. Helmut Newtons gewagtes Coverfoto wurde damals zur Gerichtssache.

Alice Schwarzer, Chefredakteurin der feministischen Zeitschrift „Emma“, sah in diesem und anderen leicht bekleideten „Stern“-Covers einen „Verstoß gegen die Menschenwürde von Frauen“. Gemeinsam mit neun weiteren Frauen reichte sie die allererste Unterlassungsklage wegen Sexismus ein. Die „Stern-Klage“ wurde zwar abgewiesen, sorgte aber für viel Diskussion.

Fotostrecke mit 5 Bildern
Claudia Schiffer, Vanity Fair, Menton, 1992 Helmut Newton Estate
Claudia Schiffer, „Vanity Fair“, Menton, 1992
Madonna, Vanity Fair, 1990 Helmut Newton Estate
Madonna, „Vanity Fair“, 1990
rechts: Reichstag, Berlin, 1987; links:  Human and Dummy III, Paris, 1978 Helmut Newton Estate
Rechts: „Reichstag“, Berlin, 1987; links: „Human and Dummy III“, Paris, 1978
Untitled (Chicken), French Vogue, Paris, 1994 Helmut Newton Estate
„Untitled (Chicken)“, „French Vogue“, Paris, 1994
rechts: Jerry Hall, American Vogue, Paris, 1974; links: German Vogue, Berlin, 1979 Helmut Newton Estate
Rechts: Jerry Hall, „American Vogue“, Paris, 1974; links: „German Vogue“, Berlin, 1979
Blondinnen mit Gretelfrisur

Es sollte nicht der einzige Prozess bleiben, in den Newton und Schwarzer verwickelt waren. 1993 publizierte „Emma“ den Artikel „Newton: Kunst oder Propaganda“. Darin stellte Schwarzer eine Nähe von Newtons Stil zu faschistischer Ästhetik her. „Helmut Newton ist als Mann und Jude potentieller Täter und potentielles Opfer zugleich. Er hat sich entschieden. Er hat sich auf die Täterseite geschlagen“, schrieb Schwarzer, die in Blondinnen mit Gretelfrisuren samt Dobermännern NS-Fantasien ortete.

Bei dem darauffolgenden Prozess standen jedoch keine inhaltlichen Fragen am Tapet: Da Newtons Fotos ohne Genehmigung abgedruckt worden waren, musste „Emma“ 76.000 D-Mark Schadensersatz zahlen. Der Vorwurf, faschistische Schönheitsideale fortzuschreiben, wog schwer. Schließlich mussten Newton und seine Familie – Newton war Sohn eines jüdischen Knopffabrikanten – 1938 vor den Nationalsozialisten fliehen.

Die Berliner Fotografin Yva, bei der er in die Lehre ging, wurde in Auschwitz ermordet. Als 18-Jähriger landete Newton in Singapur, später wurde er nach Australien ausgewiesen. In Melbourne nahm er seinen Künstlernamen an und traf seine spätere Gattin June. In den 1950er Jahren, zurück in Europa, folgten schnell Aufträge für Modemagazine wie „Vogue“ und „Elle“. Der Erfolg als Fotokünstler kam allerdings erst mit Mitte fünfzig, als Newton in Richtung Erotik ging.

Reitsattel im Bett

Der Einband von Newtons erstem Bildband „White Women“ 1976 zeigte den Unterkörper einer Frau, nur mit Strapsen und Stöckelschuhen bekleidet. Unterwerfungsfantasien nahmen im Schaffen des „professionellen Voyeurs“ (Selbstbeschreibung) fortan viel Platz ein. In seiner Schwarz-Weiß-Fotografie trat die Mode in den Hintergrund, die Hauptrolle übernahm das fetischistische Verhältnis zu perfekten Körperformen.

Newton provozierte mit Kalkül. So etwa mit einem Werbesujet für die Pariser Marke Hermes: Dafür ließ er ein Model mit Reiterstiefeln im Bett auf alle viere gehen und legte ihr einen Sattel des Luxuslabels auf den Rücken. Der lauernde Gesichtsausdruck der Frau wirkt jedoch alles andere als devot, sie scheint bereit zum Angriff.

Der Filmemacher Gero von Boehm hat letzten Sommer die Dokumentation „Helmut Newton – The Bad and the Beautiful“ in die Kinos gebracht. Darin interviewt er zehn Frauen, die von dem Starfotografen abgelichtet wurden. Erwartungsgemäß schwärmen Grace Jones, die Schauspielerin Charlotte Rampling und das Topmodel Claudia Schiffer über die Shootings mit Newton.

Elle, Paris, 1969 Helmut Newton Estate
Einer der erfolgreichsten Modefotografen des 20. Jahrhunderts: Helmut Newton, hier für die Zeitschrift „Elle“, 1969
Vorbild im NS-Körperkult

Einzig Isabella Rossellini kommt mit einer differenzierteren Sichtweise zu Wort. Bei aller Schönheit und Stärke, die Newton mit seinen Modellen einfange, würde doch auch ein gewisser Hass auf die Frau mitschwingen. Dieser entstünde durch ein uraltes männliches Gefühl, nämlich der Schwäche und Ausgeliefertheit gegenüber weiblichen Reizen.

Interessanterweise stellt die Schauspielerin auch eine Beziehung zur NS-Zeit her. Newton hätte Frauen so fotografiert, wie die NS-Filmerin Leni Riefenstahl Männer. Diese Auffassung bestätigte auch Filmemacher von Boehm in einem Interview: „Er hat das nie abgestritten. Warum sollte er auch?“ Von der Regisseurin, die für Hitler Propagandafilme drehte, hätte der Fotograf die dramatische Art der Beleuchtung und zum Teil auch die Posen übernommen.

Der Kult um „arische“ Athleten hat den jungen Fotolehrling beeindruckt. Wie Überfrauen wirken auch seine „Big Nudes“, jene Parade Nackter in Pumps, die Newton 1979 festhielt und die ihn – nicht zuletzt als X-Large-Publikation im Taschen Verlag – weltberühmt machten.

Profiteur vom Topmodel-Boom

Er hätte der Gesellschaft einen Spiegel vorgehalten, meint Ex-Model Nadja Auermann in von Boehms Film. Sie selbst wurde von Newton „wie eine Barbie-Puppe“ fotografiert. Ab den hedonistischen 1980er Jahren profitierte der mittlerweile nach Monte Carlo übersiedelte Lebemann vom Boom der Topmodels, die mit Kurven und Personality punkteten. Ein kommerziell fruchtbares Feld stellten auch Porträts von Stars und Celebrities dar. Aber die Kritik an dem selbst deklarierten „Feministen“ riss nie ab.

Die neue Dokumentation zeigt auch einen Ausschnitt aus einer französischen TV-Diskussion, bei der die US-Autorin Susan Sontag auf den Fotografen traf. „Aber ich liebe die Frauen!“, proklamierte der Deutsche damals. Die New Yorkerin zeigt sich wenig verwundert.

Ein Herr-Knecht-Verhältnis brächte so eine Abhängigkeit mit sich. „Frauenfeindliche Männer zeigen Frauen in erniedrigenden Bildern und behaupten, sie zu lieben.“ Auch nach seinem Tod 2004, als er in Los Angeles mit dem Auto verunglückte, sind Newton und seine Bildwelten noch für Debatten gut.

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