Unfall im Gotthard-Tunnel: Was wir zu Schäden, Ursache und ...
16.08.2023, 18:1416.08.2023, 18:20
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Der Zugverkehr durch den Gotthard-Basistunnel steht seit letztem Donnerstag still. Grund ist die Entgleisung von 24 Waggons eines Güterzuges. Am Mittwoch haben die SBB nun über die gewaltigen Ausmasse, die Konsequenzen für den internationalen Bahnverkehr und über den Unfallhergang informiert. Das wissen wir aktuell alles zum Unfall im Gotthardtunnel:
Inhaltsverzeichnis
Der Güterzug mit 32 Waggons fuhr mit über 100 Kilometern pro Stunde durch den Gotthard-Basistunnel, als er am letzten Donnerstag entgleiste. Die Schäden am Zug und am Tunnel sind massiv, wie die SBB am Mittwoch mitteilte:
«Solche Bilder möchte man nicht sehen. Als Bahnchef trifft mich ein solcher Unfall sehr. Die Konsequenzen sind schwerwiegend, sowohl für die SBB als auch für die Wirtschaft.»
Vincent Ducrot, SBB-CEO
Es liegt immer noch Schutt in der Röhre des Gotthards.Bild: keystone
Insgesamt müssten acht Kilometer Gleise und 20'000 Betonschwellen ersetzt werden. 24 der 32 Waggons sind entgleist und haben ihre Ladung teilweise über den Tunnel verteilt, 16 der schwer beschädigten Wagen stehen nach wie vor im Tunnel:
«Wir haben in diesem Teil des Tunnels unzählige Büchsen und Pasta-Dosen, die dort einfach als Trümmer herumliegen.»
Ruedi Büchi, Infrastruktur-Chef
Nach wie vor liegen Scherben im Tunnel, deshalb sei eine Begehung durch Medienleute momentan noch unmöglich. Die SBB-Teams würden so schnell wie unter den Gegebenheiten möglich arbeiten. Im Tunnel sei es momentan sehr heiss:
«So kann man keine sechs Stunden am Stück arbeiten.»
Ruedi Büchi, Infrastruktur-Chef
Ein weiteres Problem stellt das durchschlagene Sicherheitstor dar, es ist eine Spezialanfertigung. Die gute Nachricht: Beim Unfall kamen keine Personen zu Schaden. Auch dem Lokführer des Güterzuges gehe es verhältnismässig gut:
«Er hat bereits wieder Fahrten absolviert.»
Isabelle Betschart Kühne, Leiterin Produktion
Gewaltiger als die Schäden sind nur die Konsequenzen der Zugentgleisung im Gotthard:
«Die Reparaturarbeiten sind aufwändig und werden mehrere Monate dauern.»
Vincent Ducrot, SBB-CEO
SBB-CEO Vincent Ducrot zeigte sich am Mittwoch während der Pressekonferenz ob der Ausmasse des Unfalles schockiert. Bild: keystone
Tatsächlich gehen die SBB davon aus, dass voraussichtlich erst Anfang 2024 beide Tunnelröhren wieder für den Bahnverkehr zur Verfügung stehen und auch dann nur eingeschränkt. Ein konkretes Datum wollte niemand nennen:
«In ein oder zwei Wochen können wir da genauere Angaben machen.»
Ruedi Büchi, Infrastruktur-Chef
Ein Güterzug in flach: Die beschädigte Sicherheitstür hat die Decke des Waggons einfach abgerissen.Bild: keystone
Mittlerweile sei klar, dass wohl ein defektes Wagenrad den Unfall verursacht habe. Wie dieses trotz mehrerer Kontrollen unentdeckt bliebt, ist allerdings unklar:
«Der besagte Waggon wurde vor dem Unfall mehrfach kontrolliert.»
Isabelle Betschart Kühne, Leiterin Produktion
Isabelle Betschart Kühne, Leiterin Produktion bei SBB-Cargo, hat nun mit Kapazitätseinschränkungen im Güterverkehr zu kämpfen.Bild: keystone
So würden Güterwaggons bereits beim Eintreffen in der Schweiz einer ersten Kontrolle unterzogen. Danach würde der Zug nach der Zusammenstellung erneut auf Schäden kontrolliert und es werde ein Bremstest vorgenommen. Tatsächlich habe man später aber einen Defekt festgestellt:
«Vor Bellinzona wurde Rauch an einem der Waggons festgestellt.»
Isabelle Betschart Kühne, Leiterin Produktion
So habe in Bellinzona eine festgefahrene Bremse gelöst werden müssen. Der Defekt sei aber nicht am Unfallwaggon, sondern an einem weiteren Wagen aufgefallen. Nach einer dritten Kontrolle habe der Zug seinen Weg in Richtung Norden fortgesetzt.
«Vor der Einfahrt in den Tunnel hat der Zug eine automatische Kontrolle passiert. »
Isabelle Betschart Kühne, Leiterin Produktion
Doch auch diese Kontrolle – auf Schweizer Boden bereits die vierte – habe keine Mängel entdeckt. Im Tunnel sei der hintere Teil des Zuges schliesslich entgleist.
Zur SicherheitWenn trotz all dieser Kontrollen eine solche Katastrophe passieren kann, stellen sich nun doch Sicherheitsfragen. Dazu hält der SBB-Chef fest:
«Der Gotthard-Basistunnel gehört zu den sichersten der Welt.»
Vincent Ducrot, SBB-CEO
Der Gotthard-Basistunnel sei trotz des Unfalles sicher, sagen die Verantwortlichen.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS
Und auch der Infrastruktur-Chef doppelt an der Pressekonferenz nach:
«Wir haben in den letzten acht Jahren Tausende Züge sicher durch den Tunnel gefahren.»
Ruedi Büchi, Infrastruktur-Chef
Nichtsdestotrotz ist der Unfall eingetreten und der hat massive Auswirkungen auf den Güterverkehr durch die Schweizer Alpen und damit für ganz Europa:
«Der Unfall hat Auswirkungen von internationaler Tragweite.»
Vincent Ducrot, SBB-CEO
Im Moment könne nur ein Bruchteil der Kapazitäten wahrgenommen werden. Der Binnenverkehr könne zwar über die Panoramastrecke aufgefangen werden, dies gelte aber kaum für den internationalen Güterverkehr. Dieser wird im Moment nur teilweise von der Simplon-Strecke aufgefangen. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer, denn das Sicherheitstor wurde ersetzt:
«Ein provisorisches Tor ermöglicht die Nutzung der unbeschädigten Oströhre für den Güterverkehr voraussichtlich ab dem 23. August.»
Ruedi Büchi, Infrastruktur-Chef
Zudem würde der Brenner trotz Bauarbeiten ab dem 23. August ausserplanmässig für den Güterverkehr geöffnet:
«Dafür sind wir unseren italienischen Kollegen sehr dankbar.»
Isabelle Betschart Kühne, Leiterin Produktion
Für den Güterverkehr könnte der Gotthard-Basistunnel also knapp zwei Wochen nach dem Unfall wieder geöffnet werden, nicht so aber für den Reiseverkehr. Das hat einen einfachen Grund:
«Im Falle eines Notfalles im Tunnel können wir so keine Reisenden evakuieren.»
Ruedi Büchi, Infrastruktur-Chef
Erst wenn ein neues Sicherheitskonzept stünde, wage die SBB die schrittweise Aufnahme des Personenverkehrs durch den Basistunnel. Und auch dann geniesse der Güterverkehr Priorität:
«Wenn wir wieder mit Reisezügen durch den Gotthard-Basistunnel fahren können, werden wir dies primär am Wochenende tun, um den Güterverkehr nicht zu belasten.»
Ruedi Büchi, Infrastruktur-Chef
Ruedi Büchi bei der Pressekonferenz am Mittwoch.Bild: keystone
Es ist also für längere Zeit mit reduzierten Kapazitäten im Personenverkehr von und nach Italien zu rechnen. Besonders internationale Reisegäste leiden unter den Einschränkungen am Gotthard. Man sei vonseiten der SBB kulant, wenn geplante Reisen nun storniert würden, sagt der Leiter Personenverkehr Reto Liechti. Aber:
«Preisermässigungen sind keine vorgesehen.»
Reto Liechti, Leiter Personenverkehr
Es müsse besonders am Wochenende mit vollen Zügen gerechnet werden. Trotzdem gibt es auch gute Nachrichten:
«Man kann trotzdem sehr gut ins Tessin oder nach Italien reisen, es wird einfach etwas länger dauern.»
Reto Liechti, Leiter Personenverkehr
Reisen ins Tessin oder nach Italien sind weiterhin möglich, sagt der Leiter des SBB-Personenverkehrs, Reto Liechti, am Mittwoch.Bild: keystone
Bleibt also die Frage nach den Kosten. Wie hoch werden diese ausfallen und wer hat sie zu tragen? Der SBB-CEO meint dazu:
«Für die Kosten-Frage ist es viel zu früh. Wir haben noch nicht einmal ein endgültiges Schadensbild.»
Vincent Ducrot, SBB-CEO
Es hänge sehr stark von den Resultaten aus der Untersuchung zum Unfallhergang ab, wer schliesslich für die Kosten aufkommen muss. Und auch da meint Ducrot:
«Diese Abklärungen können noch Jahre dauern.»
Vincent Ducrot, SBB-CEO
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