Aufstieg, Fall und Comeback: Blackberry lebt noch
Stand: 04.01.2022 13:27 Uhr
Heute endet der technische Service für ältere Blackberry-Modelle. Die kanadische Firma selbst stellt längst keine Smartphones mehr her. Seit Jahren arbeitet sie an einem Comeback mit einem neuen Schwerpunkt.
Von Detlev Landmesser, tagesschau.de
Wer Waterloo sagt, spricht synonym von Scheitern im großen Stil. Das Örtchen südlich von Brüssel, wo 1815 Napoleons Schicksal besiegelt wurde, hat aber noch einen entfernten Namensvetter in Kanada - jünger, aber auch größer.
Mit Blackberry, das seinen Firmensitz seit jeher in Waterloo/Ontario hatte, lässt sich der Begriff auch im übertragenen Sinne in Verbindung bringen. Der Smartphone-Pionier gilt in Management-Kursen als Musterbeispiel für einen tiefen Fall infolge strategischer Fehlentscheidungen - ebenso wie sein früherer Wettbewerber Nokia.
Das Festhalten an den echten Tasten erwies sich als entscheidender Fehler, weil sich die Tochscreen-Modelle der Konkurrenz schnell durchsetzten. Bild: REUTERS
Vor dem Blackberry-Fall lag aber eine Erfolgsgeschichte. Aus den frühen Pagern entwickelte das 1984 vom Tech-Enthusiasten Mike Lazaridis mitgegründete Unternehmen mit dem Blackberry 957 eines der ersten Smartphones mit Internet-Zugang und Mail-Funktionalität. Das im Jahr 2000 eingeführte Gerät, wegen einer gewissen Ähnlichkeit "Brombeere" getauft, eröffnete Firmen die Möglichkeit sicherer unternehmensinterner Kommunikation. In der Folge stieg das damals noch Research in Motion (RIM) genannte Unternehmen innerhalb weniger Jahre zum führenden Anbieter für Geschäftskunden auf.
Aber schon mit dem Start des iPhone 2007 begann der Stern von Blackberry zu sinken. In diese Zeit fällt der wohl größte strategische Fehler: Lazaridis und sein Co-Chef Jim Balsillie hielten lange an dem Glauben fest, berufliche Smartphone-Nutzer wollten ihre Texte lieber auf echten Tasten eintippen statt auf Touchscreens. Als sie hastig umschwenkten, war es schon zu spät. Das 2008 erschienene "Blackberry Storm" und weitere Touchscreen-Produkte waren weniger ausgereift und fehleranfälliger als die Geräte der Konkurrenz.
Zugleich setzten die Kanadier weiter allein auf ihre zahlungskräftigen Geschäftskunden und ließen den Massenmarkt unbearbeitet. Als dessen gängigere Apple- und Android-Modelle die Unternehmen fluteten, beschleunigte sich der Abstieg. Hielt RIM Anfang 2010 noch fast 20 Prozent am globalen Smartphone-Markt, waren es drei Jahre später nur noch drei Prozent. Das Blackberry war nur mehr ein Statussymbol für Individualisten.
Neustart als Software-SpezialistAber die Geschichte endet hier nicht. Während Waterloo 1815 Napoleons triumphaler Rückkehr auf den Kontinent ein jähes Ende setzte, arbeitet der seit 2013 als Blackberry firmierende Tech-Pionier bereits seit acht Jahren an seinem Comeback. Basierend auf der von den Kunden geschätzten Sicherheit des Blackberry-Betriebssystems erfand der neue Chef John Chen das Unternehmen konsequent neu. Diesmal als führenden Software-Anbieter im Bereich der IT-Sicherheit und Mobilität.
2016 trennte sich Blackberry endgültig von seiner Handy-Sparte, auch die Lizenzproduktion des chinesischen Anbieters TCL ist mittlerweile eingestellt. Mit Hilfe einer eigenen künstlichen Intelligenz will Blackberry Firmennetze und ihre Kommunikation sicherer machen. Ein großes Thema ist auch Sicherheitssoftware für das autonome Fahren und weitere vernetzte Geräte. Mit dem Betriebssystem QNX ist Blackberry ein wichtiger Zulieferer der Automobilindustrie.
Nachhaltige Gewinne schreiben die Kanadier damit allerdings bisher nicht, wie sich auch am Aktienkurs ablesen lässt. Im Sommer 2008 noch über 147 US-Dollar wert, dümpelt das Papier seit Jahren um zehn Dollar herum. Zuletzt ist Blackberry wieder tief in die roten Zahlen gerutscht. Ob das Comeback in Waterloo gelingt, kann also erst die Geschichte beantworten.