Zahl internationaler Flugpendler hat in Basel zugenommen
– Sie arbeiten in Basel, leben aber in Berlin oder London
Vermehrt pendeln Leute mit dem Flugzeug zur Arbeit. Denn Unternehmen stellen auch Fachkräfte zunehmend nur noch befristet ein.
Für viele Leute in der Region Basel gehen die Sommerferien in den nächsten Tagen zu Ende. Damit nimmt auch die Zahl an braun gebrannten Touristen in Shorts, Kurzarmhemd und mit grossen Koffern auf dem Euro-Airport ab.
Dann fallen auch jene Reisenden wieder vermehrt auf, die nur mit einem kleinen Koffer oder einer Laptop-Tasche unterwegs sind – meist im Businesslook: Viele von ihnen sind internationale Wochenaufenthalter. So heissen jene ausländischen Berufstätigen, die unter der Woche in Basel arbeiten und wohnen, fürs Wochenende aber in «ihr» Land zurückkehren – zu ihren Familien und Freunden.
Die Zahl dieser internationalen Flugpendler hat in den letzten Jahren zugenommen. Die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) berichtete als Erste darüber. Verlässliche Zahlen darüber, wie viele mit dem Flugzeug pendeln, gibt es nicht. «Wir wissen jedoch, dass die Strecken nach Amsterdam, Berlin, London und Barcelona gern von Pendlern genutzt werden», schreibt Euro-Airport-Sprecherin Manuela Witzig auf Anfrage.
174 internationale Pendler in Reinach
In Basel-Stadt sind aktuell 452 Wochenaufenthalterinnen und -aufenthalter gemeldet, wie der Kanton auf Anfrage dieser Redaktion mitteilte. Im Kanton Baselland gibt es keine Zahlen, die für den ganzen Kanton gelten, wie die Sicherheitsdirektion auf Anfrage schreibt.
Man wisse aber, dass etwa in Pratteln Ende Juni 38 internationale Wochenaufenthalterinnen und -aufenthalter gemeldet seien. In Reinach sind es aktuell 174, wie es auf Anfrage heisst. Vorsichtig gerechnet geht die Sicherheitsdirektion davon aus, dass im Baselbiet «deutlich unter 500» dieser Wochenaufenthalter gemeldet sind.
Billige Flugtickets dürften sicher dazu beitragen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich auf ein solches Pendlermodell einlassen. Jean-Luc Niedergang, Standortleiter Basel der auf Outplacement und Karriereberatung spezialisierten Firma von Rundstedt, sieht einen neuen Trend bei Unternehmen als Grund für vermehrtes Flugpendeln.
Eine Kostenfrage
Nach Corona sei der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften stark gestiegen, sagt Niedergang zu dieser Redaktion. Gleichzeitig wollten Unternehmen aufgrund der wirtschaftlichen Herausforderungen aber flexibel bleiben. Der Von-Rundstedt-Experte erwähnt in erster Linie die Digitalisierung.
Um Kosten zu senken, würden Unternehmen daher vermehrt auch «gut qualifizierte Fachkräfte nur noch für zeitlich begrenze Projekte anstellen». Niedergang beobachtet diese Tendenz vermehrt in der Pharmabranche, im Life-Science-Bereich und bei IT-Firmen. «Natürlich zieht man dann bei einer Anstellung auf Projektbasis nicht nach Basel.»
Pendeln bedeutet Stress
Für die meisten Leute sei das kein Modell auf lange Zeit, sagt Michael Beckmann, Professor für Personal und Organisation an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel. «Denn Pendeln ist Stress.»
Beckmann weiss, wovon er spricht. Er ist eine Zeit lang selbst täglich mit dem Zug aus dem deutschen Grenzgebiet nach Basel zur Arbeit gefahren. Zu lange wollte er das aber nicht machen und zog mit seiner Familie in die Stadt. «Dadurch habe ich an Lebensqualität gewonnen.»
Selbst wenn das Pendeln «nur» am Wochenende stattfinde, sei es für viele eine Belastung, sagt der Wissenschaftler. Denn anders als Bahnhöfe lägen Flughäfen meist ausserhalb, sodass man bei der Hin- und Rückfahrt viel Zeit verliere. «Das hat dann am Schluss einen ähnlichen Stresseffekt, wie wenn man täglich pendeln würde.»
Empirische Studien haben laut Beckmann gezeigt, dass sich jede Form von Stress – und damit auch das Pendeln – mittel- bis langfristig negativ auf die Gesundheit und die Arbeitsleistung auswirkt. Trotzdem kann sich das Flugpendeln eine Zeit lang lohnen. «Nicht selten wird eine befristete Anstellung in eine dauerhafte umgewandelt», sagt der Experte.
MOBILITÄT – MIT ZUG UND FLUGZEUG
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