Weil kritisiert Schröder und bezweifelt Einflussmöglichkeiten
Stand: 12.03.2022 09:40 Uhr
Niedersachsens Ministerpräsident Weil hat deutliche Kritik an Gerhard Schröder geübt. Der ukrainische Botschafter erwartet unterdessen an diesem Wochenende Ergebnisse des Schröder-Besuchs bei Putin.
Mit Blick auf die Wahrnehmung von Mandaten in russischen Unternehmen durch den Altkanzler sagte Stephan Weil (SPD) am Freitag dem "Handelsblatt": "Ich halte das Verhalten von Gerhard Schröder in dieser Hinsicht für komplett falsch und wünsche mir sehr, dass er doch noch die richtigen Konsequenzen zieht."
Weil sieht Schröders Erfolgsaussichten zurückhaltendDer niedersächsische Regierungschef sprach von einem "grausamen Angriffskrieg" Putins, der scharf zu verurteilen sei. Mit Blick auf mögliche Vermittlungsversuche äußerte sich Weil skeptisch. "Ich bin sicher, dass Schröder Kontakte in den Kreml hinein hat wie kein anderer Deutscher. Aber ob er mit 77 Jahren ohne jedes politische Amt tatsächlich einen realen Einfluss hat auf eine Friedensbereitschaft im Kreml, weiß ich nicht", sagte Weil.
Hannover will dem Altkanzler weiterhin die Ehrenbürgerwürde entziehenAuch in seiner Heimat bleibt die Skepsis gegenüber dem Altkanzler groß. So will die Stadt Hannover - unabhängig von der vermeintlichen Friedensinitiative des Altkanzlers - am Verfahren zur Aberkennung der Ehrenbürgerwürde Schröders festhalten. "Gerhard Schröder hat die letzte Ausfahrt verpasst", sagte CDU-Ratsfraktionschef Felix Semper dem NDR in Niedersachsen. Auch die SPD im Rathaus bleibt dabei: Solange Schröder weiter als Aufsichtsratschef beim russischen Unternehmen Rosneft tätig ist, sei er weiter Teil der Kriegsmaschinerie, sagte der Fraktionsvorsitzende Lars Kelich. Erst wenn der Ex-Kanzler tatsächlich alle Verbindungen zur russischen Wirtschaft abbreche, könne man das vielleicht das neu bewerten.
Auch der Vorstand der Marktkirche sieht keinen Grund, seine Entscheidung zurückzunehmen, den Einbau des von Schröder geschenkten "Reformationsfensters" auf Eis zu legen. Pastor Marc Blessing sagte zwar, alles, was den Krieg beendet, wäre gut. Aber: Ein Anti-Kriegs-Kunstwerk in der Kirche mit Schröder als Sponsor sei nicht mehr denkbar.
DFB entzieht Schröder EhrenmitgliedschaftWegen Schröders Nähe zu Putin, seiner Geschäftsbeziehungen zu russischen Staatskonzernen und seiner zurückhaltenden Reaktion auf den Angriff Russlands auf die Ukraine hat auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Konsequenzen gezogen: Schröder muss die Ehrenmitgliedschaft abgeben, weil er sich nicht klar vom Vorgehen von Russlands Präsidenten Wladimir Putin distanziert und auch keine geschäftlichen Konsequenzen gezogen habe. Die Entscheidung traf der DFB-Bundestag in Bonn ohne Gegenstimme, wie der Verband am Freitag mitteilte. Der Altkanzler hat Posten bei den Erdgas-Pipeline-Unternehmen Nord Stream 1 und 2. Beim russischen Ölkonzern Rosneft ist er Chef des Aufsichtsrates. Auch der Fußball-Zweitligist Hannover 96 hatte angekündigt, einen Vereinsausschluss des Altkanzlers zu prüfen. Eine Entscheidung steht bislang aus.
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Eine offizielle Bestätigung zu einem Treffen zwischen Putin und Schröder gibt es bislang nicht. Ein Kremlsprecher sagte am Freitag der Agentur Interfax zufolge, dass er keine Informationen zu Schröder habe. Am Donnerstag war bekannt geworden, dass Schröder nach Moskau gereist ist. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) fand am Donnerstagabend ein erstes Gespräch zwischen Schröder und Putin statt. Inhalte wurden bisher nicht bekannt. Ob weitere Treffen geplant sind, blieb zunächst unklar. Zuvor hatten bereits das Magazin "Politico" und die "Bild"-Zeitung über den Besuch Schröders berichtet.
Hat ukrainische Seite Schröder um Vermittlung gebeten?Laut "Politico" soll Schröder als Vermittler auftreten, um mit Putin über ein schnellstmögliches Ende des Kriegs in der Ukraine zu sprechen. Der ukrainische Botschafters in Deutschland, Andrij Melnyk, betonte, dass die Initiative zu der Reise in den vergangenen Tagen von Schröder ausgegangen sei und nicht auf Bitten der Ukraine. Schröder habe sich indirekt gemeldet, "über gewisse Kontakte, die auch Kontakte zur Ukraine haben", sagte der Botschafter am Freitag in der "Bild"-Sendung "Viertel nach Acht". Melnyk zufolge handelte es sich dabei um den schweizerischen Ringier-Verlag. Zwar habe er nicht viel Respekt vor Schröder, so Melnyk, aber es gebe "nicht so viele Menschen weltweit und auch in Deutschland vielleicht, die diesen persönlichen Draht zu Herrn Putin haben". Zu möglichen Resultaten der Gespräche zwischen Putin und Schröder sagte Melnyk, dass man eventuell schon an diesem Wochenende "direkt von Herrn Schröder hören" werde, was die Ergebnisse des Treffens mit Putin gewesen seien. "Ich weiß, dass Herr Schröder bereit ist, darüber auch zu berichten, über Kanäle, die jetzt quasi nicht öffentlich laufen. Und das ist gut, dass man zumindest da auch eine gewisse Hoffnung hat."
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Die Bundesregierung hatte zuvor erklärt, dass die Reise nicht mit ihr abgesprochen sei. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Rande des EU-Gipfels in Versailles, man werde bei den Bemühungen um ein Ende des Ukraine-Kriegs auch die Gespräche Schröders berücksichtigen. "Wir werden sicherlich die Ergebnisse zur Kenntnis nehmen und auch einbeziehen können, in all das, was wir an eigenen Anstrengungen unternommen haben", sagte Scholz am Freitag. Weiter wollte er sich zu der Initiative Schröders aber nicht äußern: "Das muss und kann ich zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht kommentieren." SPD-Parteichef Lars Klingbeil äußerte sich am Donnerstagabend vorsichtig positiv zur Moskau-Reise Schröders. "Alles, was hilft gerade, um diesen furchtbaren Krieg zu beenden, ist ja willkommen", sagte er in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Ob es etwas nütze, werde man sehen. Auch er habe von dem Treffen nichts gewusst. Schröder sei weder im Auftrag der SPD noch im Auftrag der Bundesregierung unterwegs, so Klingbeil.
Reise über Istanbul nach MoskauSchröders Ehefrau Soyeon Schröder-Kim postete am Donnerstagabend auf Instagram ein Foto von sich mit gefalteten Händen und geschlossenen Augen, auf dem im Hintergrund die Basilius-Kathedrale am Roten Platz in Moskau zu sehen ist. Nach dpa-Informationen reisten Schröder und Schröder-Kim über Istanbul nach Moskau.
Bereits am Sonnabend hatte Schröder-Kim auf Instagram geschrieben: "Ihr könnt sicher sein, was auch immer mein Mann tun kann, um zur Beendigung des Krieges beizutragen, wird er tun und zwar unabhängig von Ultimaten der SPD oder anderen Organisationen wie etwa dem DFB."
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NDR 1 Niedersachsen | Regional Hannover | 11.03.2022 | 15:00 Uhr