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AfD als «Verdachtsfall»: Das letzte Wort hat der Wähler

AfD als Verdachtsfall Das letzte Wort hat der Wähler
Die Alternative für Deutschland darf vom Verfassungsschutz weiter als «Verdachtsfall» eingestuft werden – und die anderen Parteien jubeln. Doch ein Urteil ist kein Ersatz für politischen Wettbewerb.

Der andere Blick

Die Alternative für Deutschland darf vom Verfassungsschutz weiter als «Verdachtsfall» eingestuft werden – und die anderen Parteien jubeln. Doch ein Urteil ist kein Ersatz für politischen Wettbewerb.

Wahlplakate der AfD und der Grünen im sächsischen Dresden. In dem Bundesland finden am 9. Juni Kommunalwahlen sowie die Wahl des Europäischen Parlaments statt. Am 1. September wird ein neuer Landtag gewählt.

Wahlplakate der AfD und der Grünen im sächsischen Dresden. In dem Bundesland finden am 9. Juni Kommunalwahlen sowie die Wahl des Europäischen Parlaments statt. Am 1. September wird ein neuer Landtag gewählt.

Lisi Niesner / Reuters

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Alexander Kissler ist Redaktor der NZZ Deutschland.

Angelina Vernetti

Mit diesem Urteil war zu rechnen: Nach dem Verwaltungsgericht Köln vor zwei Jahren hat das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt, dass die AfD vom Verfassungsschutz als sogenannter Verdachtsfall beobachtet werden darf.

Die Rechtspartei hat damit in der behördeninternen Einschätzung der verfassungsfeindlichen Bestrebungen die zweite Stufe erreicht. Sie ist für den Inlandgeheimdienst mehr als ein «Prüffall», aber auch nicht «gesichert rechtsextremistisch». Schon die für Laien kaum verständlichen Kategorien zeigen, dass das Münsteraner Urteil weniger eine juristische als eine politische Botschaft bereithält. Die Gegner der AfD nehmen es zum Anlass, die Ausgrenzung zu forcieren oder gar mit neuer Verve ein Verbot der Konkurrenz zu fordern. Der Ausschluss der AfD aus dem Parteienwettbewerb wäre aber eine Kapitulationsurkunde der Demokratie.

Die Vorwürfe sind keine Lappalie

Die zuständigen Richter sprechen nach der Sichtung des vom Bundesamt für Verfassungsschutz vorgelegten Materials von «hinreichend tatsächlichen Anhaltspunkten» dafür, «dass die AfD Bestrebungen verfolgt, die gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen» gerichtet seien. Es gebe innerhalb der AfD «in grossem Umfang herabwürdigende Begriffe gegenüber Flüchtlingen und Muslimen» sowie «Anhaltspunkte für demokratiefeindliche Bestrebungen, wenn auch nicht in der Häufigkeit und Dichte wie vom Bundesamt angenommen».

Solche Vorwürfe sind keine Lappalie. Auch wenn die AfD nun versucht, jede Kritik mit dem Verweis auf eine «ungenügende Sachverhaltsaufklärung» und eine angebliche Voreingenommenheit von Verfassungsschutz und Gericht vom Tisch zu fegen: Es gibt unter den Mitgliedern und Funktionären der AfD neben Rechten, Konservativen und wenigen Wirtschaftsliberalen sehr wohl Rechtsradikale, Rechtsextreme und Demokratieverächter.

Die anderen Parteien wiederum leiten arg leicht aus dem noch nicht rechtskräftigen Urteil den Aufruf ab, man solle sich nun gewissermassen auf dem kleinen Dienstweg eines Mitbewerbers entledigen. Im Osten nämlich, wo im September drei Landtagswahlen stattfinden werden, steht die AfD unbeschadet aller Skandale auf dem ersten Rang.

Zwischen 30 und 35 Prozent der Stimmen könnten die Rechten laut Umfragen in Sachsen, Brandenburg, Thüringen erreichen. Sie sind eine Volkspartei des Ostens geworden. Je aggressiver sich die Kritiker der ihrerseits oft harsch auftretenden AfD gebärden, desto energischer arbeiten sie an einer längst überwunden geglaubten Spaltung der Bundesrepublik.

Ein falsches Bild von Demokratie

Gerade weil die AfD programmatisch wie personell viele Fragen offenlässt, stünde überzeugten Demokraten nun kühle Gelassenheit zu. Hysterie schadet jeder Debatte, auch aus tatsächlicher oder vermeintlicher Sorge um die Demokratie. Es ist nicht die Aufgabe von Gerichten, etablierte Parteien vor den Zumutungen einer neuen Konkurrenz zu bewahren.

Politiker irren, wenn sie den Beweis erbracht sehen, dass es sich bei der AfD um eine «unsere Demokratie verachtende Partei» handele. So formuliert es der grüne Parlamentarier Konstantin von Notz. Aus der SPD-Fraktion heisst es, das Gericht habe bekräftigt, dass sich die AfD «als Ganzes zu einer völkischen Partei radikalisiert» habe.

Diese Äusserung verkennt, dass nur von Anhaltspunkten, nicht von Beweisen die Rede ist und dass ein Verdachtsfall ein Verdacht bleibt. Zudem wird das Etikett von einer Behörde verliehen, die dem sozialdemokratisch geführten Innenministerium unterstellt ist. Wohl auch deshalb verstieg sich der Amtschef Thomas Haldenwang schon im vergangenen Jahr zur Aussage, «nicht allein» der Verfassungsschutz sei dafür zuständig, die Umfragewerte der AfD zu senken.

Der gegenwärtige Jubel der konkurrierenden Parteien, aber auch des Verfassungsschutzpräsidenten hinterlässt einen Beigeschmack. Er erweckt den Eindruck, eine Demokratie sei umso gefestigter, je mehr sich die Parteien der Mitte einig seien. Das ist falsch. Die Arena der Demokratie ist die Öffentlichkeit. Dorthin gehören Argument und Gegenargument, und am Ende entscheidet der Wähler – kein Gericht und kein Geheimdienst.

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