Rennanalyse GP Abu Dhabi 2024: McLaren cruist zum WM-Titel
Wie überlegen war McLaren in Abu Dhabi?
Die Anspannung bei Andrea Stella war groß. Am Samstagabend wollte der Teamchef von McLaren noch keine Glückwünsche annehmen. Seine Piloten Lando Norris und Oscar Piastri hatten ihre Autos in die erste Startreihe gestellt. Beim Setup hatten sich die Ingenieure für die reifenschonendere Variante mit mehr Abtrieb entschieden.
Doch einen Trumpf verlor McLaren schon in Kurve 1, als Max Verstappen (Red Bull) Piastri umdrehte. Jetzt war es an Norris, die Mission erfolgreich zu beenden. Und der Engländer lieferte. Stella kommentierte die Leistung seines Fahrers nach dem Rennen. "Das war Lando in Bestform. Es war unglaublich, wie er alles gemanagt hat." McLaren hatte in Abu Dhabi das schnellste Auto und das konstanteste über die Saison hinweg. "Ich kann es 2025 kaum erwarten. Wenn wir von Anfang an ein konkurrenzfähiges Auto haben."
Norris jubelte nach der Zieldurchfahrt ausgelassen: "Es fühlt sich unglaublich an. Wenn man schaut, wo wir am Anfang der Saison standen, muss man einfach nur Danke sagen an das Team. Nach 26 Jahren wieder den Konstrukteurs-Titel zu holen, ist besonders."
Es war der neunte in der Teamgeschichte für den Rennstall aus Woking. Daran konnten auch die starken Ferrari nichts ändern. Norris hielt seinen Verfolger Carlos Sainz immer auf Abstand. Auch der Undercut in Runde 25 funktionierte nicht, weil McLaren den 25-Jährigen eine Runde später umgehend reinholte und ihm ebenfalls den harten Reifen für den zweiten Stint montierte. Dort konnte der Vize-Weltmeister das Tempo anziehen. Stella führte aus: "Auf dem harten Reifen war Lando, wie so oft in dieser Saison, am schnellsten. Das hat uns etwas Puffer gegeben." Norris warnte seine Gegner für 2025. "Das war unser Jahr, Leute! Nächstes Jahr wird dann meins!"
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Für die Ferrari-Fahrer Carlos Sainz (links) und Charles Leclerc blieben nur die Plätze zwei und drei.
Wieso reichte es für Ferrari nicht zum Titel?
Ferrari musste sich in Abu Dhabi mit den Rängen zwei und drei begnügen. Das reichte am Ende nicht, um McLaren noch von Platz eins zu stoßen. Nach 24 GP-Wochenende fehlten den Italienern 14 Punkte.
Besonders enttäuscht war Charles Leclerc, der vom 19. Startplatz noch auf das Podium stürmte. "Es tut weh, weil es bis zum Ende so knapp war. Aber der Batterie-Wechsel am Freitag hat uns einfach zu weit zurückgeworfen. Wir haben stark abgeschlossen, wenn wir gut anfangen, dann können 2025 wir um den Titel kämpfen." Die defekte Batterie bedeutete eine Strafversetzung um zehn Plätze am Sonntag. Leclerc legte einen Raketenstart hin und war nach einer Runde bereits Achter. "Ich musste aggressiv sein, um in einer guten Position für den Rest des Rennens zu sein."
Teamkollege Sainz blieb zwar in Schlagdistanz zu Norris, konnte seinen Kumpel jedoch zu keiner Zeit ernsthaft unter Druck setzen. Der Spanier verabschiedete sich mit Anstand nach vier Ferrari-Jahren vom Team. "Ich hätte nicht mehr machen können. McLaren war einfach zwei bis drei Zehntel schneller an diesem Wochenende. Wir können dennoch stolz auf uns sein."
Ins gleiche Horn blies auch Teamchef Frédéric Vasseur. "Der Abstand zu McLaren betrug in etwa mehr als eine Zehntelsekunde. Selbst wenn wir zu Lando aufgeschlossen hätten, hätte das nie gereicht, um zu überholen. Da brauchst du einen größeren Zeitvorteil." Auch über eine riskante Taktik wäre Ferrari nicht zum Erfolg gekommen, wie der Franzose bilanzierte. "Wir haben uns nur auf uns selbst konzentriert und sind die beste Strategie mit beiden Autos gefahren. Es hätte keinen Sinn ergeben, etwas anderes zu probieren. Auch nicht mit Charles."
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Max Verstappen rutschte in Kurve 1 in Oscar Piastri und bekam eine 10-Sekunden-Strafe.
War Verstappen alleine Schuld am Piastri-Unfall?
Für den Aufreger des Rennens sorgte am Start Max Verstappen. Der Red-Bull-Mann hielt in Kurve 1 gegen Piastri rein und kassierte für das Foul eine 10-Sekunden-Strafe. Bereits im Rennen äußerte sich der Weltmeister: "Das war unglücklich, ich war schon ganz innen." Lakonisch spottete er über die Stewards. "Wieso geben sie mir nicht gleich 20 Sekunden? Dumme Idioten." Oscar Piastri sah das natürlich anders und merkte süffisant an: "Das war eine weltmeisterliche Aktion." Sportchef Helmut Marko pflichtete seinem Piloten bei der Kollision bei. "Piastri hat ihm keinen Platz gelassen. Max war schon ganz innen, er hätte nirgendwo anders hin gekonnt. In der ersten Kurve sollten andere Maßstäbe gelten."
Marko war sich auch sicher, dass man vor Lewis Hamilton gelandet wäre. "McLaren war zu schnell für uns. Wir waren auf Ferrari-Niveau. Und Hamilton hätten wir ohne die Strafe hinter uns halten können." Verstappen fuhr zum Saisonabschluss auf dem sechsten Rang.
Mercedes
Lewis Hamilton verabschiedete sich nach seiner letzten Aufholjagd in einem Mercedes mit Donuts.
Hätte Hamilton auf das Podest fahren können?
Sein alter Rivale Lewis Hamilton hatte ihn beim letzten Mercedes-Rennen geschlagen. Und das nach Startplatz 16. Mercedes hatte die Qualifikation verwachst und Hamilton in Q1 zu spät rausgeschickt. Nachdem Kevin Magnussen einen Poller vor den Mercedes geschubst hatte, war bereits Feierabend im ersten Segment.
Am Sonntag zeigte Hamilton noch einmal, warum er der erfolgreichste Fahrer aller Zeiten ist. Nach der Startrunde lag der Engländer auf Rang zwölf. Als einziger Pilot war der 39-Jährige auf dem harten Reifen gestartet und arbeitete sich sukzessive nach vorne. In Runde 34 stoppte er und war auf dem Medium-Pneu schneller als seine vor ihm fahrenden Gegner.
Das letzte Überholmanöver seiner Mercedes-Ära setzte er in der Schlussrunde, als er in Turn 10 außenherum seinen Teamkollegen George Russell überholte. Danach gab es große Emotionen bei allen Beteiligten. Hamilton bedankte sich bei seiner zweiten Familie: "Wie war das? Wir haben viel geträumt und viel erreicht. Ich liebe euch alle Leute. Von ganz tiefem Herzen, sage ich nur Danke!"
Sein Teamchef Toto Wolff ärgerte sich nach dem Rennen über den Samstag. "Wäre der Poller im Qualifying nicht im Weg gewesen, hätten wir mit Lewis um den Sieg kämpfen können. Aber heute hat er nochmal gezeigt, was für ein Champion er ist." Das Podium wäre beim Abschied mit einem besseren Startplatz locker drin gewesen.
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Pierre Gasly (Alpine) hielt das ganze Rennen Nico Hülkenberg in dessen Haas hinter sich.
Hatte Haas eine Chance gegen Alpine?
Einen spannenden Kampf lieferten sich Alpine und Haas um Rang sechs bei den Konstrukteuren. Pierre Gasly konnte Nico Hülkenberg das ganze Rennen hinter sich halten. Der siebte Platz half ihm auch, den Deutschen noch von P10 in der Fahrerwertung zu verdrängen. "Es war heute sehr eng mit ihm, wie immer. Er war direkt hinter mir, und ich wusste, dass wir nur auf das reagieren mussten, was er tat, und wir würden unsere Ziele erreichen."
Haas verlor seinen zweiten Trumpf Kevin Magnussen in Runde 30, als ihm Valtteri Bottas (Sauber) in die Seite fuhr. Bei fünf Punkten Rückstand auf Alpine vor dem Rennstart war da die Entscheidung gefallen. Teamchef Ayao Komatsu trauerte aber der verpassten Chance nicht hinterher. "Wenn wir schauen, wo wir herkommen, dann ist der siebte Platz eine tolle Leistung. Darauf können wir stolz sein." Hülkenberg verabschiedete sich mit Stil von seinem Team. "Ich habe die letzten zwei Jahre sehr genossen. Es war wahrscheinlich die schönste Zeit in meiner Formel-1-Karriere. Dankeschön!"