Rede zum Tag der Arbeit
Bern, 01.05.2024 - 1. Mai-Feier auf dem Bundesplatz
Es gilt das gesprochene Wort
Liebe Kolleginnen und KollegenLiebe Genossinnen und GenossenLiebe Menschen hier auf dem Bundesplatz
Vorgestern hat mir ein Belgier gesagt, die Schweiz sei schon ein faszinierendes Land. Nirgends sonst würde man schon bei der Begrüssung das Gemeinsame, das Miteinander betonen.
Griezi miteinander, Sali zämme
Ich muss euch sagen: Ich habe mich sehr gefreut, als ich die Einladung zu dieser 1. Mai-Feier bekommen habe.
Ich war schon ein wenig besorgt, dass ich vor allem ins Albisgüetli eingeladen werde - zumindest bis die merken, dass ich nicht einmal halbwegs ein halber SVP-Bundesrat bin.
Ich weiss, wo ich hingehöre. Hier bin ich richtig.
Wobei: Bis jetzt war ich am 1. Mai jeweils in Basel.
Dort, auf dem Marktplatz, ist es ein bisschen anders. Röter. Hier ist es grüner. Und damit meine ich jetzt nicht eure Fahnen - sondern das Basler Rathaus respektive das Bundeshaus.
Und noch etwas ist anders: Ich muss heute arbeiten. Der Tag der Arbeit ist hier tatsächlich ein Arbeitstag. Mit Bundesratssitzung - gerade als Linker ist das harte Arbeit!
Ich habe kurz ausgestempelt und muss nachher wieder zurück. Meine Rede wird also nicht allzu lang. Das trifft sich gut, weil ich als Bundesrat vieles eh nicht sagen darf.
Der 1. Mai ist ein Feiertag. In beiden Basel, in Neuenburg, Zürich - und im Jura.
Elisabeth und ich waren - natürlich! - trotzdem an der Bundesratssitzung. Wer weiss, was die fünf ohne uns anstellen.
Zämme goht's besser. Das feiern wir am 1. Mai.
Wir feiern. Und wir fordern: Prämien runter, Löhne rauf!
Zu den Prämien kann ich aus verschiedenen Gründen nicht viel sagen... Ausser vielleicht: mit dem Ziel ist sogar der Gesamtbundesrat einverstanden.
Gute, höhere Löhne sind wichtig - auch weil alles teurer wird. Unsere Löhne schützen, das schaffen wir nicht alleine.
Zämme goht's besser.
Auch deshalb brauchen wir starke Beziehungen zu einem starken Europa.
- Einem Europa, das unter dem grossen Druck der letzten Jahre an Einigkeit und Selbstbewusstsein gewonnen hat;
- Einem Europa, das beim Klimaschutz und auch sozialpolitisch - z.B. beim Mindestlohn - vorwärtsmacht.
Zu diesem Europa gehören wir.
Warum diese Aufregung um das EGMR-Urteil?
Ich will den Kritikern dieses Urteils nicht die Rösti versalzen, aber: Das war kein Entscheid gegen die Schweizer Bevölkerung, sondern ein Entscheid für die Schweizer Bevölkerung.
Warum diese Aufregung?
Als würdest du dem Brandmelder vorwerfen, dass er dir mitteilt, dass es brennt. Die gute Nachricht für alle Empörten: Ob wir löschen wollen, können wir immer noch selber entscheiden. Ganz souverän.
Apropos «souverän»:
Souverän - das zeigen Analysen - haben die Pensionierten der 13. AHV-Rente zum Durchbruch verholfen.
Es gibt nicht nur Klima-Seniorinnen, sondern auch Renten-Seniorinnen.
- Europa-Seniorinnen wären auch eine gute Sache
- Oder die Lohn-Seniorinnen
Auch ein anständiger Lohn, von dem man anständig leben kann, sollte eigentlich ein Menschenrecht sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Zämme goht's besser. Das feiern wir am 1. Mai.
Solidarität! Internationale Solidarität!
Ist das eine Worthülse?
Der Welt geht es schlecht: Krisen, Klima, Katastrophen, Kriege. In der Ukraine und in Nahost. Menschen verzweifeln, leiden, sterben. Tausende. Jeden Tag. Es ist schier unerträglich.
Schlechtes gibt Schlechtem Auftrieb. Während die internationale Gemeinschaft ob all der Krisenherde beinahe die Übersicht verliert, bereichern und bedienen sich Autokraten und Despoten.
Die Welt brennt. Uns in der Schweiz geht es gut.
Also raushalten? Die Abschotter raten es uns eindringlich: Raushalten, aushalten, stillhalten.
- Krieg? - Haben wir nicht angefangen!
- Flüchtende? - Haben wir nicht gerufen!
- Das Klima? - Müssen nicht wir retten!
Man kann internationale Solidarität immer als naiv abtun, als von der Realität enttarnte Sozialismusromantik.
Aber: ich zitiere «es ist gefährlich zu glauben, dass es kein Feuer gebe, nur weil das eigene Haus nicht brennt».
Noch nicht brennt, möchte ich Willi Ritschard ergänzen.
Eigentlich ist «zämme goht's besser» in Zeiten wie diesen eine grobe Untertreibung: Nur zämme goht's.
Globale Probleme können wir nur gemeinsam lösen.
Das gilt auch für die Migration. Nirgends werden die Grenzen nationaler Grenzen so schonungslos sichtbar. Und dass wir diesen Menschen helfen müssen. Unser System muss funktionieren, damit das gelingt. Damit das Recht auf Asyl gilt. Es ist mein Job als Justizminister, dafür zu sorgen.
- Aber ich bin nicht «nur» Asylminister
- Ich kämpfe auch gegen häusliche Gewalt
- Gegen organisierte Kriminalität
Als Justizminister bin ich immer auf der Seite der Schwächsten. Ich habe es in Südamerika schmerzlich selbst erfahren. Wo der Rechtsstaat nicht funktioniert und nicht demokratisch gesteuert ist, da gilt das Recht des Stärkeren. Und davon profitieren immer die Reichen - immer auf Kosten der Mehrheit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen
- Es braucht den Blick auf das Ganze und es braucht den Blick auf das Kleine.
- Auf die Welt und auf den Menschen.
- Den Blick gegen aussen und gegen innen.
Dass wir immer beides im Blick haben, zeichnet uns als Linke aus.
Nochmals ein Zitat von Willi Ritschard:
«Ich weiss schon, dass wir auf der Welt sind, um das Glück zu suchen, und nicht, um es zu finden.»
Vielleicht hat Willi recht. Aber wer sucht, kann auch finden.
Machen wir uns gemeinsam auf die Suche. Optimistisch.
Oder wie man in Bern weiss: «Mängisch fingt ds Glück eim».
Der 1. Mai ist nicht zum Jammern da. Der 1. Mai ist ein Feiertag. - Also zumindest in Basel. - Es gibt übrigens Kräfte, die möchten genau diesen Feiertag streichen. Warum?
Ich weiss warum: Weil die wissen, dass wir am 1. Mai zünftig tanken.
Nicht nur Bier. Vor allem tanken wir Optimismus, Kraft und Motivation.
- Der Blick zurück zeigt, was wir schaffen können.
- Der Blick in die Gegenwart zeigt, was zu tun ist.
- Der Blick in die Zukunft - der treibt uns an.
Packen wirs an! - Zusammen
Ich wünsche euch allen einen optimistischen 1. Mai!
Tschou zämme
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